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Sonntag, 15.11.2015

Historie

Fackelzug für den Gründungsdekan

Professoren, die von ihren Studenten (und Studentinnen!) glühend verehrt werden – das gab es sicher nicht nur vor 1968

Aber vielleicht ist eine solche ausgeprägte persönliche Verbundenheit ein besonderes Charakteristikum von Studiengängen oder Hochschulen insgesamt, die gerade ihre Gründungsjahre erleben.

An der Medizinischen Akademie Lübeck (1964 – 1973) war die bestimmende Person der Dekan und nicht etwa der Rektor. Denn der war weit weg, an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, zu der die Lübecker Akademie als II. Medizinische Fakultät gehörte. Die Leitungsaufgaben hier vor Ort lagen  weitgehend beim Dekan. Entsprechend spürbar wurde daher jeweils in Lübeck das Ende einer Amtszeit empfunden.

1965, im ersten novemberlichen Schneegestöber, verabschiedeten die Lübecker Studentinnen und Studenten ihren Gründungsdekan, Prof. Wichard von Massenbach, mit einem Fackelzug aus seinem Amt. Vom Mühlentor ging es zum Markt, wo von Massenbach aus einem Fenster des Rathauses die Ehrung entgegen nahm. Die starke Identifikation der Hansestadt mit der gerade einmal einjährigen Akademie wurde dadurch unterstrichen, dass Stadtpräsident Gerhard Gaul, Bürgermeister Max Wartemann und Gesundheitssenator Alfred Plust neben ihm standen.

Der Vorsitzende der studentischen Fachschaft dankte von Massenbach für sein Verständnis und seine Arbeit zum Wohle der Studenten. Tatsächlich, so erinnert sich auch heute noch, mit fünfzigjährigem Abstand, eine der damaligen Studentinnen, hätten sie ihren Gynäkologie-Professor und ersten Dekan wegen seiner feinen, großherzigen Wesensart „glühend verehrt“. Mit seiner umfassenden Bildung auch in Kunst, Musik und Kultur sei er noch ein echter „Allrounder“ gewesen.

Von Massenbach dankte mit einer kurzen Ansprache: „Entscheidend bleibt die Leistung, die Sie später zum Wohle der Kranken erreichen. Es wird in Lübeck nicht wenig verlangt werden, und es wird hier niemand durch die Maschen des Examens schlüpfen können“, zitierten ihn die Lübecker Nachrichten in ihrem Bericht vom 16. November 1965. Von Massenbach schloss mit den Worten „Vivat, cresceat, floreat, Academia“ und einem Fass Freibier, was wiederum von den Studentinnen und Studenten mit drei Strophen des Liedes „Gaudeamus igitur“ erwidert wurde.

Die Tradition der Fackelzüge zum Dank an einen Professor blieb noch einige Jahre erhalten. Ende der 60er Jahre änderte sich dann vieles im Hochschulleben, und ab 1973 wurde die Medizinische Hochschule von einem eigenen Rektor geleitet. Die Gründungsjahre mündeten in den allmählichen Auf- und Ausbau der eigenständigen Hochschulentwicklung.

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"In den dichten Flocken des ersten Schneetreibens fand gestern abend der erste Fackelzug in Lübeck statt, den junge akademische Bürger einem ihrer Hochschullehrer als Ausdruck des Dankes und der Verehrung brachten" (Lübecker Nachrichten vom 16. November 1965; Foto: Kripgans)

Lübecker Nachrichten vom 16. November 1965