Von der Uni Lübeck unterstützter Dokumentarfilm über das Leben mit Tourette-Syndrom feiert Premiere
Mit dem Tourette-Syndrom zu leben – das bedeutet eine Krankheit zu akzeptieren, die Menschen zu ungewollten Aktionen, Handlungen und Lauten zwingt. Nur geringe Veränderungen im Gehirn können so dramatische Auswirkungen haben. Neben den Ursachen dieser Störung geht der Dokumentarfilm „TICS“ vor allem auch auf den Umgang unserer Gesellschaft mit den vom Tourette-Syndrom betroffenen Menschen ein, die nicht in die Norm passen. Der Film feiert seine Premiere am 7. November 2021 im Rahmen der Nordischen Filmtage ab 16:15 Uhr im CineStar in Lübeck. Hier liegen seine Ursprünge – denn ohne die Forschung von Prof. Dr. Alexander Münchau und ohne die Unterstützung der Universität wäre der Film nicht entstanden.
Die Idee zum Film entstand vor einigen Jahren, als das Team des jetzigen Instituts für Sys-temische Motorikforschung an der Universität zu Lübeck / dem UKSH in Kooperation mit der Klinik für Neurologie und der Klinik für Pädiatrie den Schwerpunkt Tics / Tourette Syndrom aufbaute - auf einer Reise durch Finnland. Alexander Münchau: „Wir hatten in der Zeit gerade eine Studie beendet, in der wir experimentell zeigen konnten, dass sich Tics durch Aufmerksamkeitsverlagerung deutlich besserten. Wo sonst, wenn nicht in einer finnischen Nacht im Juli sollte es möglich sein, seine Aufmerksamkeit von den Tics weg, hin zu den in unseren Regionen nie zu sehenden Farben, dem Zugleich von Stille und Helligkeit, zu verlagern? Und wo, wenn nicht in dieser Menschenleere, könnte es gelin-gen, endlich einmal völlig ohne soziale Kontrolle und Maßregelungen frei zu ticcen?“ Die Idee für den Dokumentarfilm war geboren, der sich auch als Korrektiv der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Störung versteht und Menschen mit Tics eine authentische Stimme geben möchte.
Thomas Oswald ist der Regisseur des Films. Über die Dreharbeiten sagt er: „Mich hat die gemeinsam verbrachte Zeit mit den Betroffenen dazu veranlasst, noch einmal genau zu hinterfragen, wie Vorurteile unser Denken oftmals bestimmen. Wenn wir uns, auch in anderen Bereichen, davon freimachen könnten, wären vielen und auch unserem Miteinander sehr geholfen. Aber darum geht es ja auch schlussendlich im Film: nicht, dass wir Menschen, die einer bestimmten Norm nicht entsprechen, ins Nirgendwo verbannen oder ihnen das Gefühl geben, sich am besten zu verstecken, sondern dass wir ihnen als Gesellschaft ermöglichen, so zu sein, wie sie sind, ohne sich dafür schlecht zu fühlen.“
Begleitet wurde der Dreh vom Fachmann, Prof. Dr. Alexander Münchau, der sich schon seit rund 20 Jahren als Forscher mit dem Tourette-Syndrom auseinandersetzt: „Ich verbrachte im Rahmen von Studien sehr viel Zeit mit vielen, sehr unterschiedlichen Menschen mit Tics und Tourette in den Sprechstunden und im Labor und erfuhr in den Gesprächen, dass sehr vieles, das diese Menschen kennzeichnet und z.T. auch plagt, sehr nah bei dem liegt, was wir üblicherweise als „normal“ bezeichnen, allerdings in einer über-zeichneten, oft übertriebenen Weise. Zum Beispiel der Drang, dass bestimmte Bewegungen, Handlungen genau in einer ganz bestimmten Weise ausgeführt werden müssen und so lange Wiederholungen nötig sind, bis sich dieses Gefühl des „Gerade Richtig“ einstellt.“
Der Dokumentarfilm TICS begleitet drei unterschiedliche Hauptpersonen. Ihre Prägungen, ihre Herangehensweisen ans Leben, an ihre Probleme, ihr Humor, sind sehr verschieden, sie wirken jedoch alle unverstellt. „Das ist für Menschen mit Tics sehr typisch. Wer sich mit Tourette beschäftigt, muss aushalten können, selbst auch einen Spiegel vor Augen gehalten zu bekommen, denn das „Unverstellte“ beim Tourette Syndrom schließt die authentische kommentierende Betrachtung des Anderen mit ein.“, erklärt Prof. Alexander Münchau.
Gezeigt wird der Film im Rahmen der Nordischen Filmtage: nordische-filmtage.de
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