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Zehn Jahre Medizinische Informatik

Freitag, 10.12.2021

Erfolgreicher eigenständiger Studiengang, enge Verzahnung mit den späteren Berufsfeldern - Eine Absolventin und ein Absolvent berichten

Der Studiengang Medizinische Informatik an der Universität zu Lübeck begeht sein zehnjähriges Bestehen. Auf einer Jubiläumsfeier im Audimax hob Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach die Bedeutung des Faches als zentrale Brückendisziplin zwischen der Medizinischen Sektion auf der einen und den technisch-naturwissenschaftlichen Sektionen der Universität auf der anderen Seite hervor.

Studiengangsleiter Prof. Dr. Heinz Handels betonte, dass durch den Studiengang der so dringend benötigte wissenschaftliche Nachwuchs für zentrale Forschungsthemen der Life-Science-Universität ausgebildet wird. Sehr erfreulich sei außerdem der für einen Informatik-Studiengang ungewöhnlich hohe Frauenanteil von etwa 50 Prozent.

Für den Newsletter berichten eine Absolventin und ein Absolvent über ihre Erfahrungen und Eindrücke vom Studium der Medizinischen Informatik. Beide sind 1997 geboren, Finja Alexandra Ottink stammt aus Preetz und Linus Barkow aus Herzebrock-Clarholz, Nordrhein-Westfalen.

Frau Ottink, Herr Barkow, wann und wie ist Ihre Studienentscheidung für die Medizinische Informatik gefallen?

Finja Ottink: Trotz meines sprachlichen Schwerpunktes zu Schulzeiten habe ich mich bereits ein Jahr vor dem Abitur für dieses Studium entschieden. Einblicke in die Arbeiten in einem Übersetzungsbüro haben mir persönlich gezeigt, dass meine Berufsaussichten im naturwissenschaftlichen Bereich breiter gefächert und vielversprechender sind. Nach einem einwöchigen Schnupperstudium in Kiel stand die Studienrichtung Informatik fest, der Schnuppertag in Lübeck brachte dann die endgültige Entscheidung für die Medizinische Informatik. Mir gefiel auch, dass die Uni in der schönen und gemütlichen Stadt Lübeck mit Nähe zum Meer recht klein und somit etwas familiärer ist.

Linus Barkow: Als Kind wollte ich unbedingt Kinderarzt werden, nachdem mein Kinderarzt mir sein Stethoskop geschenkt hatte. Ich war sehr stolz darüber. Daneben trat aber mit Fischer Technik und später dem Aufbau einer Computer-AG an der Schule ein ausgeprägtes technisches Interesse. Mein Schülerpraktikum habe ich in einer Kinder- und Jugendarztpraxis absolviert. Die erste selbstgewählte Aufgabe vor Ort war es, den Server der Praxis wieder zum Laufen zu bringen. Den Ausschlag für das Studium in Lübeck hat gegeben, dass es hier Medizinische Informatik als vollwertigen Studiengang und nicht nur als Anwendungsfach gibt.

Frau Ottink, in Ihrer Masterarbeit ging es um Deep Learning und medizinische Bildverarbeitung. Was genau haben Sie untersucht und herausgefunden?

Finja Ottink: Gerade im medizinischen Bereich herrscht aufgrund des zeitaufwendigen Annotationsprozesses durch medizinische Expertinnen und Experten ein Mangel an ausreichend qualitativ hochwertig annotierten Daten, was ein zuverlässiges Training von Deep Learning Modellen erschwert. Daher bestand das Ziel meiner Arbeit darin, Deep Learning Modelle im Kontext der biomedizinischen Bildsegmentierung trotz dieses Mangels zuverlässig zu trainieren. Durch die Verwendung selbstüberwachter Lernmethoden wurde ein Vortraining Neuronaler Netze mit ungelabelten Daten und eine anschließende Feinabstimmung mit nur wenig Annotationen ermöglicht. Experimentell zeigte sich, dass bereits mit wenigen Annotationen recht vielversprechende Resultate erzielt werden können. Das Thema weist noch viel Potenzial auf, eine weitere Forschung in diesem Bereich ist relevant und sehr spannend.

Herr Barkow, Sie arbeiten inzwischen bei einem Praxisverwaltungssystemhersteller in Berlin. Wie schätzen Sie generell die Verzahnung des Studiums in der Medizinischen Informatik mit späteren beruflichen Anwendungsfeldern ein?

Linus Barkow: Die Arbeit macht mir besonders deshalb sehr viel Freude, weil sie dazu beiträgt, das deutsche Gesundheitssystem zu digitalisieren. Ob mit der neuen elektronischen Patientenakte (ePA), dem KIM-Dienst (Kommunikation im Medizinwesen), der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) oder dem elektronischen Rezept habe ich genau die Themen getroffen, die ich mir zu Beginn des Studiums für meine beruflichen Tasks vorgestellt habe. Das Studium hat hervorragend auf die spätere Berufswelt vorbereitet. Ein gutes Beispiel für die enge Verzahnung ist das Praktikum zum Standard „Fast Healthcare Interoperability Resources“ (FHIR) im Rahmen der Veranstaltung „Medizinische Informationsmodelle und Ontologien“. Genau das, was ich damals in dem Projekt gemacht habe, ist heute meine tägliche Arbeit.

Welchen Tipp würden Sie heutigen Studierenden und speziell Studienanfängerinnen und -anfängern geben?

Linus Barkow: Ich möchte Studienanfängerinnen und -anfängern raten, sich früh mit Kommilitoninnen und Kommilitonen zu vernetzen und sich gegenseitig bei Übungsaufgaben zu helfen. Als Team lassen sich stressige Phasen deutlich einfacher durchstehen, und manche nicht so interessanten Inhalte können besser gemeinsam erlernt werden.

Finja Ottink: Ich würde ihnen außerdem raten, neben dem Studium unbedingt auch ein Leben zu haben. Im Studium gibt es oft sehr viel zu tun. Wie Linus sagte, es gibt stressige Phasen. Gerade dann ist Durchhaltevermögen gefragt, und umso wichtiger ist es da, einen Ausgleich zu schaffen – zum Beispiel mit Sport, Musik, Freunde treffen etc.


Medizinische Informatik an der Universität zu Lübeck

1992 wurde das Spektrum der Universität mit dem Aufbau der Informatik maßgeblich erweitert. Prof. Dr. Dr. Siegfried Pöppl war Gründungsdekan der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät und Direktor des neu gegründeten Instituts für Medizinische Informatik. Dieser Ausbau war wesentlich dafür, dass bereits ab 1993 der Diplomstudiengang Informatik mit dem Anwendungsfach Medizinische Informatik etabliert wurde.

Nach Berufung von Prof. Dr. Heinz Handels als Direktor des Instituts 2010 wurden unter seiner Federführung der eigenständige Bachelor- und der Masterstudiengang Medizinische Informatik entwickelt. Der Bachelorstudiengang startete im Wintersemester 2011/12, mit den ersten Abschlüssen wurde dann drei Jahre darauf plangemäß auch das Masterstudium eröffnet.

Beide Studiengänge haben sich ausgezeichnet entwickelt. Kontinuierlich können sie mehr als 180 immatrikulierte Studierende aufweisen. Das Studienprogramm der Medizinischen Informatik bietet umfangreiche Wahl- und Vertiefungsmöglichkeiten in den Bereichen eHealth, medizinische Bildverarbeitung, Bioinformatik und seit 2019 auch den neu eingeführten Vertiefungsbereich Medical Data Science und Künstliche Intelligenz.

Der Großteil der Jubiläumsfeier am 25. November gehörte den Studierenden und den Absolventinnen und Absolventen des Studienganges. So berichteten vier Studierende über ihre Bachelor- und Masterarbeiten, die sie erfolgreich in einem der vier Forschungsbereiche durchgeführt haben. Vier ehemalige Absolventinnen und Absolventen lieferten persönliche und spannende Erfahrungsberichte über ihren beruflichen Werdegang nach dem Abschluss und ihre heutigen Tätigkeiten.

Das waren die allerersten Studierenden des Studiengangs Medizinische Informatik im Jahr 2011 (Fotos: IMI)

Prof. Heinz Handels hob bei der Jubiläumsfeier die Bedeutung des Faches für zentrale Forschungsthemen der Universität hervor

Finja Ottink (Foto: privat)

Linus Barkow (Foto: privat)