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Mittwoch, 26.08.2020

Forschung

Zweiphotonenmikroskopie am Augenhintergrund

Beispiel für molekulare Zweiphotonenbildgebung im lebenden Mäuseauge. Es wurde die Verteilung von für den Sehvorgang wichtigen Stoffwechselprodukten bei Mäusen mit unterschiedlichen genetischen Veränderungen analysiert. Retinylester spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung des Sehfarbstoffs 11-cis-retinal in Retinosomen genannten Zellorganellen, während A2E ein schädliches Abbauprodukt von Vitamin A Metaboliten ist. Die durch „Phasoranalyse“ ausgewerteten Fluoreszenzlebensdauer-Bilder zeigen deutlich die unterschiedliche Häufigkeit und Lokalisation dieser Stoffwechselprodukte bei den verschiedenen Maustypen. (Abb.: PNAS)

Sie verhilft zu einem besseren Verständnis der Entstehung altersbedingter degenerativer Erkrankungen und ist ein mögliches zukünftiges Verfahren zu ihrer frühen Diagnose

In-vivo optische Biopsie am Augenhintergrund durch Messung von Fluoreszenzintensität und -lebensdauer endogener Fluorophore ermöglicht die Analyse von physiologischen Vorgängen und pathologischen Veränderungen auf molekularer Ebene. Insbesondere kann sie dabei helfen, Defekte im Vitamin A Stoffwechsel bei der Regenerierung des Sehpigmentes frühzeitig zu detektieren. Dadurch verhilft sie zu einem besseren Verständnis der Entstehung altersbedingter degenerativer Erkrankungen und ist ein mögliches zukünftiges Verfahren zu ihrer frühen Diagnose. Dies kann die Entwicklung neuartiger Therapien für zur Erblindung führende Krankheiten beschleunigen.

Die Zwei-Photonenanregung der Fluoreszenz erlaubt die Verwendung von Infrarotwellenlängen, die gut bis zum Augenhintergrund vordringen können. Sie erfordert aber die Verwendung ultrakurzer Lichtpulse mit hoher Spitzenintensität, die auch Schäden anrichten können. Die Bestrahlungsparameter werden daher so ausgewählt, dass maximale Fluoreszenzlichtausbeute mit minimalem Schadensrisiko einhergeht. Eine besondere technologische Herausforderung besteht darin zu gewährleisten, dass die gewählten Parameter auch an der Netzhaut eingehalten werden, nachdem die Laserpulse das Auge passiert haben. Eine weitere Herausforderung besteht in der Etablierung einer eingängigen Darstellung der Fluoreszenzinformation, die eine effiziente Analyse der zugrundeliegenden molekularen Vorgänge ermöglicht.

Ein internationales Team aus Forschern der University of California Irvine (USA), der polnischen Akademie der Wissenschaften, der Nikolaus Kopernikus Universität in Torun (Polen) und der Universität zu Lübeck in Deutschland hat sich diesen Herausforderungen gestellt und nun erste in-vivo Resultate an Mäuseaugen präsentiert. Der Beitrag von Prof. Dr. Alfred Vogel und Dr. Xiaoxuan Liang von der Lübecker Universität konzentriert sich dabei auf die Analyse möglicher Photoschadensmechanismen und Grenzwerte, deren Verständnis für in-vivo retinale Bildgebung von essentieller Bedeutung ist.

Bei ihrer Analyse mussten sie berücksichtigen, dass es in der Netzhaut direkt unterhalb der Photorezeptoren eine einzellige Schicht mit hohem Gehalt an Melanin-Pigmenten gibt, das retinale Pigmentepithel (RPE). Die starke Lichtabsorption in den Melaningranula im RPE heizt sie auf, was zur Fragmentation von Granula durch thermoelastische Druck-Zug-Welle, zu chemische Veränderungen von Biomolekülen in der Umgebung der Granula und zur Bildung kleiner Dampfblasen führen kann. Die hohe Spitzenintensität der Laserpulse erzeugt zudem eine gewisse Anzahl freier Elektronen, die ebenfalls Schäden an Biomolekülen verursachen können. Durch sorgfältige Analyse aller Schadenspfade mittels Computersimulationen kamen Xiaoxuan Liang und Alfred Vogel zu dem Schluss, dass thermische Schäden das größte Risiko bei der Zweiphotonenmikroskopie am Augenhintergrund darstellen.

Die Lösung des Teams zur Problemverminderung besteht darin, die Pulswiederholrate des Lasers von den sonst üblichen 80 MHZ auf 8 MHz zu vermindern und die Energie der Einzelpulse zu erhöhen. Hierdurch erhöht sich die Spitzenintensität der Pulse und die Fluoreszenzausbeute bei Zweiphotonenanregung steigt stark an. Somit kann bei 8 MHz mit gleicher Durchschnittsleitung im Laserpulszug mehr Fluoreszenz erzeugt werden als bei 80 MHz, oder bei geringerer Laserleistung die gleiche Fluoreszenzausbeute erzielt werden. Die Verringerung der Laserleistung vermindert die Temperaturerhöhung während des Laserpulszuges und somit auch die thermische Belastung. Die Strategie der Wieder-holratenverminderung erreicht ihre Grenze dann, wenn die Energie der Einzelpulse so groß wird, dass die Temperaturerhöhung pro Puls zur thermoelastischen Fragmentation vieler Melaningranula führt. Die optimale Wiederholrate muss noch ermittelt werden aber das Team konnte bei 8 MHz bereits eine schadensfreie optische Biopsie am Mäuseauge demonstrieren.

Die Zweiphotonenanregung von Fluorophoren ist umso leichter, je stärker die anregenden Laserpulse fokussiert werden können. Der Öffnungswinkel (numerische Apertur) des Mäuseauges ist mit NA = 0.4 mehr als doppelt so groß wie beim menschlichen Auge, wodurch bei gleichbleibender Pulsenergie die Lichtintensität im Fokus mehr als viermal so groß ist. Bis zur schadensfreien zwei-photonen optischen Biopsie beim Menschen ist es daher noch ein weiter Weg - aber die bereits erzielten Resultate am Mäuseauge sind ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Die Forschungsergebnisse wurden am 26. August 2020 unter dem Titel „Noninvasive two-photon optical biopsy of retinal fluorophores“ in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Der Artikel ist zugänglich unter doi.org/10.1073/pnas.2007527117

Die Forschungsarbeiten in Lübeck wurden vom Grant FA9550-18-1-0521 im Biophysik-Grundlagenprogramm des Air Force Office of Scientific Research (AFOSR) unterstützt.