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Mittwoch, 20.11.2002

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Zwei Lübecker Preisträger beim Innovationswettbewerb für Medizintechnik

Innovationspreisträger 2002 (Foto: Brigitte Stahl-Busse)

Innovationspreisträger 2002 (Foto: Brigitte Stahl-Busse)

400.000 Euro Bundesförderung an lasermedizinische und medizintechnische Forschungsprojekte für Augenheilkunde und Urologie

Fördersummen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) von insgesamt 400.000 Euro fließen in innovative Lübecker Projekte zur Medizintechnik. Im diesjährigen "Innovationswettbewerb zur Förderung der Medizintechnik" werden Forschungsarbeiten am Medizinischen Laserzentrum Lübeck und an der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Lübeck ausgezeichnet.

Es handelt sich um die Entwicklung eines schonenderen Lasers für die Augenheilkunde und einer Kunstharnblase für die Urologie. Beide Projekte werden vom BMBF, das in dem Wettbewerb bundesweit insgesamt elf Gewinne vergibt, mit je 200.000 Euro gefördert. Die Gewinnerthemen und Forscherteams werden am Mittwoch, dem 20. November 2002, auf der Medica in Düsseldorf offiziell bekannt gegeben. Die Lübecker Preisträger sind Prof. Dr. med. Dieter Jocham, Direktor der Universitätsklinik für Urologie, der das Projekt zur Kunstharnblase gemeinsam mit der Fachhochschule München durchführt, und Dipl.-Phys. Ralf Brinkmann vom Medizinischen Laserzentrum Lübeck.

Die ausgezeichneten medizintechnischen Entwicklungen und ihre klinischen Anwendungen im einzelnen:

Kunstharnblase erhält Innovationspreis - Von außen steuerbares System verspricht Komfort für Betroffene

Die an der Fachhochschule München und der Universitätsklinik Lübeck zu entwickelnde implantierbare Kunstblase erhält den Innovationspreis zur Förderung der Medizintechnik. Mit diesem System könnte Millionen von Menschen geholfen werden, denen zum Beispiel aufgrund eines Tumors die Blase entfernt werden musste. Die Fraunhofer Gesellschaft hat dieses künstliche Harnableitungssystem patentieren lassen und damit dem Forscherteam den wissenschaftlichen Vorsprung auf diesem Gebiet gesichert. Mit Hilfe der finanziellen Mittel aus dem Innovationswettbewerb planen die Wissenschaftler nun die künstliche Blase innerhalb der kommenden Jahre bis zum klinisch einsetzbaren Prototypen fort zu entwickeln.

Rund 18.000 Menschen erkranken allein in Deutschland jedes Jahr an Blasenkrebs. Oft muss die Blase entfernt werden, um das Leben des Patienten zu retten. Eine äußerst komplizierte Operation ermöglicht es, eine Ersatzblase aus Dünn- oder Dickdarmanteilen zu schaffen. Allerdings sind die Komplikationsraten und Folgeprobleme - wie Inkontinenz - sehr häufig, so dass weltweit nach einer künstlichen Alternative gesucht wird.

Prof. Helmut Wassermann von der Fachhochschule München leitet hierbei gemeinsam mit Prof. Dieter Jocham von der Universitätsklinik Lübeck das weltweit führende Wissenschaftlerteam. Prof. Wassermann ist optimistisch: "Aufgrund unseres Konzepts wird die Kunstharnblase bei jedem Patienten funktionieren. Wir bauen das System modular auf. Es besteht aus Reservoir- und Steuerungsmodulen sowie beweglichen Bauteilen in verschiedenen Größen." Die künstliche Harnblase wird die Form einer Kapsel haben. Sie besteht dann aus einem externen und zwei internen - das heißt implantierbaren - Modulen. Sobald die Kunstblase gefüllt ist, macht sie sich mit einem Vibrieren bemerkbar. Dieses Bauteil befindet sich zusammen mit einem weiteren Baustein für die kontrollierte Entleerung außerhalb der Kapsel. Beide Teile werden jedoch vollständig unter der Haut eingesetzt. Der Patient steuert die Entleerung der Blase und das Aufladen der implantierten Energiespeicher durch ein externes Gerät, das er auf seinen Unterbauch auflegt.

Die Vorteile einer solchen künstlichen Blase sind zum einen die einfachere Operation. Zum anderen verfügt ein solches System über einen integrierten Schließmuskelapparat, der einen problemlosen Einsatz sowohl bei männlichen als auch weiblichen Patienten ermöglicht. Zudem rechnen die Wissenschaftler damit, dass durch den Einsatz der künstlichen Ersatzblase die OP- und Folgekosten der Erkrankung des fortge­schrittenen Blasenkarzinoms sinken.

Der Arbeitsplan für die kommenden zwei Jahre ist dicht gedrängt: Innen- und Außenhülle werden ebenso getestet wie die verwendeten Biomaterialien. Darüber hinaus stehen die technischen Bauteile wie Antriebe, Ventile und Sensoren auf der Liste der Ingenieure. Die beteiligten Mediziner der Universität Lübeck um Prof. Dieter Jocham werden sich auf das Operationsverfahren konzentrieren, um eine optimale Verbindung zwischen Harnleitern, der Harnröhre und den Implantat­werkstoffen zu gewährleisten.

Die Fraunhofer-Patentstelle für die Deutsche Forschung unterstützt diese Innovation durch begleitende Beratung und finanzielle Förderung. Ziel ist die Vermittlung von Lizenz nehmenden Unternehmen und Investoren an die Erfinder, damit diese Technologie möglichst bald Eingang in den Markt finden kann.  
 
Schonender Laser rettet Augenlicht - Laserleistung individuell auf Patienten abstimmen

Das Medizinische Laserzentrum Lübeck entwickelt eine neue Methode, um die Wirkung des Laserlichts zu optimieren. Insbesondere in der Augenheilkunde ist es enorm wichtig, die Temperaturerhöhung, die bei der Laserbehandlung erzielt werden muss, exakt einzuhalten. Dies bedeutet auch, individuelle Unterschiede von Patientenaugen zu berücksichtigen. Denn oft werden Netzhauterkrankungen des Auges bei den heutigen Verfahren unter- oder übertherapiert. Die neue Methode soll das ändern. Zum Einsatz kommen dann zwei Laser: Einer zur Therapie und der zweite zur Temperaturkontrolle. In Kooperation mit der Augenklinik des Universitätsklinikums Lübeck soll in einer Pilotstudie das Potenzial der neuen Technik evaluiert werden.

In der Medizin hat sich der Laser zu einem unentbehrlichen Werkzeug gemausert - besonders die Augenheilkunde profitiert vom brillanten, stark gebündelten Licht. Auch bei der "altersbedingten Makuladegeneration" kommt Lasertechnik zum Einsatz. Diese Krankheit betrifft einen kleinen aber wichtigen Bereich der Netzhaut: die so genannte Makula - genau hier ist der Punkt des schärfsten Sehens lokalisiert. Trotz weltweiter intensiver Forschung sind die Ursachen für die Makuladegeneration sowie das mit ihr einhergehende Absterben der Lichtrezeptoren weitgehend unbekannt. Ab dem 65. Lebensjahr sind rund 20% aller Menschen von dieser Krankheit betroffen.

Bei der aggressiven Variante bilden sich unter der Netzhaut kleine Knäuel aus winzigen, unregelmäßig wuchernden Blutgefäßen. Aus diesen entleeren sich Flüssigkeit und Blut, so dass in der Netzhaut eine Blase entsteht. Diese vernarbt mit der Zeit und führt zu einem Verlust der Sehkraft im erkrankten Gebiet. Bei einer neuen Laser-Behandlung, der transpupillären Thermotherapie, werden die betroffenen Areale per Laser für ca. eine Minute großflächig bestrahlt. Dieses Verfahren gilt als schonend, da die Temperaturerhöhung im Augenhintergrund moderat ist. Im Idealfall werden so die Wucherungen gestoppt, das nebenliegende gesunde Gewebe bleibt intakt. 

Leider hat es sich herausgestellt, dass die Temperaturerhöhung am Patien­tenauge von der Pigmentierung, Gefäßdichte und dem Erkrankungsstadium abhängt. Wie sich für verschiedene Augen errechnen lässt, steigt bei manchen Patienten die Temperatur im bestrahlten Gebiet nur um 5° Celsius an - bei anderen hingegen um über 15° Celsius - obwohl der Laser immer mit der gleichen Intensität eingesetzt wird. Ralf Brinkmann, Gruppen- und Projektleiter im Laserzentrum Lübeck erklärt die fatalen Folgen: "Bei dem einen Patienten passiert nichts - die Therapie ist wirkungslos, weil das Gewebe nicht genügend erhitzt wurde - der nächste Patient hingegen ist übertherapiert. Es besteht dann die Gefahr, dass sogar gesundes Gewebe in Mitleidenschaft gezogen wird, und die anliegende Netzhaut mit den Lichtrezeptoren geschädigt wird. Beides gilt es unbedingt zu vermeiden." 

Deshalb arbeitet die Lübecker Forschergruppe darauf hin, die Temperatur am Wirkort des Lasers - direkt im betroffenen Gewebe - unmittelbar während der Behandlung zu messen, wozu bislang keine Verfahren existieren. Die Laserleistung und somit die Temperaturerhöhung im Gewebe könnte dann durch eine Rückkopplung auf den Behandlungslaser individuell nach oben oder unten angepasst werden. Hierzu dient ein zweites, kurz gepulstes Lasersystem. "Der zweite Laser zielt in kurzen Blitzen und in regelmäßigen Zeitintervallen - z.B. ein Mal pro Sekunde - ebenfalls auf das behandelte Gewebe", erklärt Brinkmann. "Die hierdurch bedingte kurzzeitige, sehr geringe Temperaturerhöhung führt zu einer Ausdehnung des Gewebes, die dabei eine Druckwelle aussendet. Diese können wir über ein Kontaktglas messen, das dem Auge sanft außen aufliegt, und das zur Behandlung sowieso benötigt wird. In das Kontaktglas wird ein empfindlicher Drucksensor integriert. Dieser Sensor wirkt als Ultraschallwandler und schickt seine Daten an einen angeschlossenen Computer, der daraus die Temperatur im Zielgewebe errechnet. Denn die Stärke der Druckwelle ist ein Maß für die Temperaturerhöhung. Mit diesen Daten lässt sich per Rückkopplung sofort die Leistung des behandelnden Lasers regeln. So wird eine konstante, für die Therapie optimale Temperaturerhöhung erzielt, ohne die umliegende gesunde Netzhaut zu schädigen", betont der Physiker.

Als Erstes soll der hochempfindliche Drucksensor entwickelt und getestet werden. In weiteren Schritten wird dann zusätzlich die exakte Korrelation zwischen der Stärke der Druckwelle und der tatsächlichen Temperatur im Augenhintergrund ermittelt sowie die Temperaturverteilung im gesamten bestrahlten Areal erforscht. Als Letztes steht dann der Einsatz während der Behandlung und die Korrelation zum Therapieverlauf im Vordergrund. Ralf Brinkmann ist zuversichtlich: "Diese Methode könnte einen therapeutischen Durchbruch auf dem Gebiet der Laserbehandlung der aggressiven altersbedingten Makuladegeneration bedeuten. Zudem wird diese Technik auch bei anderen Augenleiden einsetzbar sein, was wiederum Nebenwirkungen derzeitiger Therapien reduziert, und somit weitere Kosten im Gesundheitswesen spart."
 

Die Veröffentlichung des Fotos ist frei. Um ein Belegexemplar wird freundlichst gebeten.