Website
Aktuelles
Donnerstag, 13.07.2017

Forschung

Wann rufen Antikörper allergische Reaktionen hervor?

Arbeitsgruppe von Prof. Marc Ehlers: Dr. Alexei Leliavski, Simon Eschweiler, Janina Petry, Johann Rahmöller, Yannic Bartsch, Gina-Maria Lilienthal, Prof. Marc Ehlers, Alexandra Epp, Juliane Hobusch und Robina Thurmann (v.l.n.r.)

Wissenschaftler aus Lübeck, Cincinnati, Leiden, Lund, Marburg, Berlin und Borstel erforschen, wie sich bei Allergikern immunologische Toleranz herstellen lässt.

Manche Allergie-Patienten mit IgE- und IgG-Antikörpern reagieren allergisch, andere nicht. Warum das so ist, konnte in einer neuen Studie weiter aufgeklärt werden. Beteiligt sind die Arbeitsgruppe „Immunologie und Glykoanalytik“ von Prof. Dr. Marc Ehlers,  Institut für Ernährungsmedizin der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, sowie Mitglied im Exzellenzcluster „Entzündungsforschung“ zusammen mit Wissenschaftlern aus Cincinnati (USA), Leiden (Niederlande), Lund (Schweden), Marburg, Berlin und Borstel sowie der Firma Allergopharma in Reinbek. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „The Journal of Allergy and Clinical Immunology“ veröffentlicht.

IgE-Antikörper vermitteln allergische Reaktionen, indem sie mit dem Allergen an den hoch affinen IgE-Rezeptor (Fc<epsilon>RI) auf Mastzellen und Basophilen binden und so die Ausschüttung von inflammatorischen Mediatoren wie Histamin provozieren (Abb. 2).

IgG-Antikörper bilden sich zum Beispiel durch wiederholten Kontakt mit dem Allergen oder bei einer Allergieimpfung (Hyposensibilisierung oder Allergen-spezifische Immuntherapie (AIT)) aber auch gegen verabreichte Medikamente wie „Biologika“ (z.B. monoklonale Antikörper).

Bei niedrigen Allergendosen können diese IgG Antikörper eine IgE-vermittelte allergische Reaktion durch Allergen-Maskierung und Vernetzung des Fc<epsilon>RI mit dem inhibitorischen IgG-Rezeptor Fc<gamma>RIIb hemmen (Abb. 2).

Wenn jedoch die Allergendosis bei unbehandelten oder AIT-behandelten allergischen Patienten oder vor allem auch bei Patienten, die mit „Biologika“ therapiert werden, hoch ist, besitzen IgG-Antikörper auch selbst das Potential, eine allergische Reaktion zu induzieren, indem sie an aktivierende Fc<gamma> Rezeptoren auf Immunzellen binden (Abb. 2).

Allerdings wird vermutet, dass manche Patienten mit hohen IgG-Werten und hohen Allergendosen allergisch reagieren und andere nicht; warum das so sein könnte wurde in der aktuellen Studie untersucht.

Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass bei niedrigen Allergendosen die Inhibierung der IgE-vermittelten allergischen Reaktion durch IgG-Antikörper mehr oder weniger unabhängig von deren Subklasse und Art der Fc-Glykosylierung ist, dass aber bei hohen Allergendosen das allergische Potential von IgG-Antikörpern sehr stark von deren Subklasse und Art der Fc-Glykosylierung abhängt (Abb. 3). Während nicht-galaktosylierte IgG-Antikörper eine starke anaphylaktische Reaktion im Mausmodell provozierten, induzierten galaktosylierte und sialylierte IgG Antikörper je nach Subklasse nur eine schwache anaphylaktische Reaktion (Abb. 3).

Die Untersuchungen konnten weiter zeigen, dass z.B. eine konventionelle AIT mit Birkenpollenextrakt plus Aluminiumhydroxid (alum) als Adjuvans hohe sialylierte IgG-Titer induziert, die ein niedriges Potential besitzen, bei höheren Allergendosen eine IgG-vermittelte allergische Reaktion zu provozieren. Interessant werden die Entdeckungen jedoch, wenn man sieht, dass Pharmafirmen für die Zukunft auf rekombinante Allergenproteine mit neuen Adjuvanzien setzen, auch um den „schützenden“ IgG-Titer hoch zu schrauben. Die Ergebnisse zeigen, dass verschiedene Adjuvanzien verschiedene IgG-Subklassen mit unterschiedlichen Fc-Glykosylierungen induzieren, so dass in Zukunft verifiziert werden muss, dass diese nicht das Risiko einer IgG-vermittelten Anaphylaxie erhöhen.

Therapeutisch induzierte oder in Zukunft vielleicht applizierte IgG-Antikörper sollten also sialyliert sein, um eine IgE-vermittelte allergische Reaktion zu hemmen, selber aber keine allergische Reaktion bei hohen Allergendosen zu provozieren.

Des Weiteren wird es in Zukunft möglich sein, Menschen, die IgG-Titer gegen die oben erwähnten Medikamente bilden, zu charakterisieren. Auf diesem Wege ließen sich Patienten mit nicht-galaktosylierten IgG-Antikörpern und damit hohem anaphylaktischen Risiko identifizieren und dann gegebenenfalls anders therapieren.

An den Studien sind vom Forschungszentrum Borstel die Arbeitsgruppen der Professoren Uta Jappe, Arnd Petersen und Frank Petersen und aus Lübeck die Sektion für Translationale Chirurgische Onkologie und Biomaterialbanken und die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin beteiligt.

 

Publikation:

Epp A*, Hobusch J*, Bartsch YC*, Petry J*, Lilienthal G-M, Koeleman CAM, Eschweiler S, Möbs C, Hall A, Morris SC, Petzold D, Engellenner C, Bitterling J, Rahmöller J, Leliavski A, Thurmann R, Collin M, Moremen KW, Strait RT, Blanchard V, Petersen A, Gemoll T, Habermann JK, Petersen F, Nandy A, Kahlert H, Hertl M, Wuhrer M, Pfützner W, Jappe U, Finkelman FD, and Ehlers M. Sialylation of IgG antibodies inhibits IgG-mediated allergic reactions. J Allergy and Clinic Immunol. (im Druck); * diese Autoren trugen im gleichen Maße zur Publikation bei.