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Montag, 01.08.2016

Forschung

Dopaminfunktion normalisiert sich mit Rauchabstinenz

Dr. Lena Rademacher

Forschungsergebnisse eröffnen die Möglichkeit für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze

Eine neue Studie in “Biological Psychiatry” berichtet, dass mit dem Rauchen verbundene Defizite im Dopamin, einer mit Belohnungsempfinden und Sucht verbundenen Substanz im Gehirn, drei Monate nach dem Rauchstopp verschwinden. Die Normalisierung des Dopaminsystems legt nahe, dass die Defizite eine Folge chronischen Rauchens sind und nicht ein Risikofaktor. Diese Ergebnisse eröffnen die Möglichkeit, Behandlungsansätze zu entwickeln, welche das Dopaminsystem bei Rauchern normalisieren.

Laut der Erstautorin Dr. Lena Rademacher, Postdoktorandin an der Universität zu Lübeck und in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie tätig, liegt eine besondere Herausforderung beim Verständnis von substanzbezogenen Störungen darin, zu verstehen, warum nur manche Personen abhängig werden.

Forscher gehen davon aus, dass manche Menschen eine Veranlagung für Sucht haben und vermuten, dass dabei Gehirnsysteme eine Rolle spielen, bei denen Dopamin involviert ist. Abhängig machende Drogen führen zu einer Ausschüttung von Dopamin, und Nikotinsucht ist mit Auffälligkeiten im Dopaminsystem verbunden. Jedoch sind sich die Forscher bislang unsicher, ob diese Auffälligkeiten durch das Rauchen entstehen oder ob sie bereits vorher existieren und zum Risiko für eine Nikotinabhängigkeit beitragen.

Letztautor der Studie, Prof. Dr. Ingo Vernaleken (RWTH Aachen) untersuchte mit seinem Team die Dopaminfunktion von chronischen Rauchern vor und nach Langzeit-Abstinenz. Dabei wurde eine Technik, die sich Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nennt, verwendet, um ein Maß für die Kapazität der Dopaminproduktion bei 30 nikotin-abhängigen Männern sowie 15 Nichtrauchern zu ermitteln. Nach einem ersten Hirnscan bei allen Versuchsteilnehmern wurden 15 Raucher, die das Rauchen erfolgreich beenden konnten, ein weiteres Mal nach drei Monaten Abstinenz von Zigaretten und Nikotinersatzmitteln untersucht.

Der erste Scan zeigte eine 15-20 prozentige Reduktion der Kapazität zur Dopaminproduktion bei Rauchern im Vergleich zu Nichtrauchern. Die Forscher erwarteten, dass diese Verringerung auch nach Beendigung des Rauchens weiter bestehen würde, was ein Hinweis auf eine Vulnerabilität für Nikotinabhängigkeit sein könnte. “Überraschenderweise normalisierten sich die Auffälligkeiten in der Dopamin-Synthesekapazität mit der Abstinenz“ sagt Dr. Rademacher.

Eine Rolle von Dopamin für die Vulnerabilität für Nikotinsucht kann nicht ausgeschlossen werden, aber diese Ergebnisse legen nahe, dass die veränderte Dopaminfunktion bei Rauchern eher eine Folge des Nikotinkonsums als die Ursache ist.

Dr. John Krystal, Herausgeber von “Biological Psychiatry”, sagt zu der Bedeutung dieser Ergebnisse für die Entwicklung besserer Behandlungen von Rauchern, die aufhören möchten: “Diese Studie legt nahe, dass die ersten drei Monate nach dem Rauchstopp eine besonders vulnerable Zeit für Rückfälle, auch aufgrund bestehender Dopamindefizite, sein können. Diese Beobachtung ermöglicht eine Fokussierung auf diese Defizite mit neuen Behandlungsansätzen.“

Der Artikel "Effects of Smoking Cessation on Presynaptic Dopamine Function of Addicted Male Smokers" von Lena Rademacher, Susanne Prinz, Oliver Winz, Karsten Henkel, Claudia A. Dietrich, Jörn Schmaljohann, Siamak Mohammadkhani Shali, Ina Schabram, Christian Stoppe, Paul Cumming, Ralf-Dieter Hilgers, Yoshitaka Kumakura, Mark Coburn, Felix M. Mottaghy, Gerhard Gründer und Ingo Vernaleken (doi: 10.1016/j.biopsych.2015.11.009) ist bei Biological Psychiatry, Band 80, Ausgabe 3 (2016), veröffentlicht durch Elsevier, erschienen. 

Biological Psychiatry ist die offizielle Zeitschrift der Society of Biological Psychiatry, deren Ziel es ist, exzellente wissenschaftliche Forschung und Ausbildung in Forschungsbereichen zu fördern, welche die Natur, Ursachen, Mechanismen und Behandlung von Störungen der Gedanken, Emotionen oder des Verhaltens untersuchen. Biological Psychiatry ist eines der selektivsten und am meisten zitierten Journale im Bereich der psychiatrischen Neurowissenschaften. Es belegt den 5. Rang von 140 psychiatrischen und den 11. von 256 neurowissenschaftlichen Zeitschriften nach dem Journal Citations Reports® von Thomson Reuters. Der Impact Faktor aus dem Jahr 2015 liegt für Biological Psychiatry bei 11.212.

Interindividuelle Gruppenunterschiede in der Kapazität der Dopaminproduktion (Rademacher et al.)

Signifikante intraindividuelle Veränderungen in die Kapazität der Dopaminspeicherung (Rademacher et al.)