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Freitag, 03.11.2017

Forschung

Quality-of-Life-Preis für Dr. Marion Rapp

Verleihung des Quality-of-Life-Preises (Foto: Lilly Pharma)

Langzeitstudie zur Lebensqualität von Kindern mit Cerebralparese

Klinische Interventionen gegen akute Schmerzen und psychologische Probleme sollten möglichst frühzeitig erfolgen

Dr. Marion Rapp, Universität zu Lübeck und Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, wurde mit dem Quality-of-Life-Preis 2017 ausgezeichnet.  Sie erhielt den mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Preis für ihre Untersuchungen zur Lebensqualität von Kindern mit Cerebralparese.

Unter Cerebralparese versteht man Bewegungsstörungen, deren Ursache in einer frühkindlichen Hirnschädigung liegt. Die dadurch hervorgerufene Behinderung ist charakterisiert durch Störungen des Nervensystems und der Muskulatur im Bereich der willkürlichen Motorik. Am häufigsten sind spastische Mischformen und eine Steigerung der Muskelspannung in Ruhe (Muskelhypertonie). Mit den Bewegungsstörungen sind oft auch Lern- und Konzentrationsstörungen sowie Einschränkungen des Hör- und Sehvermögens oder eine Epilepsie verbunden.

Langzeitstudie in sieben europäischen Ländern

In der mit dem Quality-of-Life-Preis ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeit untersuchten Dr. Marion Rapp und ihre Kolleginnen und Kollegen, ob sich die Lebensqualität der Kinder mit Cerebralparese von der Kindheit zum Jugendalter im Elternbericht verändert (Rapp M, Eisemann N, Arnaud C, Ehlinger V, Fauconnier J, Marcelli M, Michelsen SI, Nystrand M, Colver A, Thyen U. Predictors of parent-reported quality of life of adolescents with cerebral palsy: A longitudinal study. Res Dev Disabil (2017) 62:259-270).

Sie erhoben außerdem, ob die Lebensqualität der Jugendlichen von Faktoren der Kinder (wie Behinderung, Schmerzen, psychologische Auffälligkeiten), von Faktoren des berichtenden Elternteils (wie sozio-demographischer und familiärer Status, Erziehungsstress) oder von der Änderung von Schmerzen, psychischen Problemen oder Erziehungsstress zwischen den beiden Untersuchungszeiträumen abhängt.

Die Untersuchungen stehen im Rahmen der internationalen Langzeitstudie „Study of Participation and Quality of Life of Children with Cerebral palsy Living in Europe“ (SPARCLE). Sie beschäftigt sich mit der Teilhabe und der Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen mit Cerebralparese in sieben europäischen Ländern (Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Schweden und Großbritannien). 2004 und 2005 wurden 818 Kinder mit Cerebralparese im Alter von acht bis zwölf Jahren aus populationsbezogenen Cerebralparese-Registern in acht europäischen Regionen. 2009 und 2010 nahmen 594 Kinder (73 Prozent) mit ihren Eltern erneut an der Untersuchung teil, wobei die Kinder nun ein Alter von 13 bis 17 Jahren aufwiesen.

Einflussfaktoren Schmerz, Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsstress

Erfragt wurden körperliches Wohlbefinden, psychisches Wohlbefinden, Stimmungen und Emotionen, Selbstwahrnehmung, Autonomie, Beziehungen zu Eltern und zum Zuhause, finanzielle Möglichkeiten, Beziehungen zu Gleichaltrigen, soziale Unterstützung, schulisches Umfeld und soziale Akzeptanz.

Die Untersuchungen lassen die folgenden Schlussfolgerungen zu: Die Lebensqualität von Jugendlichen mit Cerebralparese hängt im Elternbericht nicht von der Behinderung, sondern von Verhaltensauffälligkeiten und akuten Schmerzen des Kindes sowie dem erlebten eigenen Erziehungsstress der Eltern ab. Diese veränderbaren Faktoren sollten sowohl im klinischen Alltag als auch in Studien über Kinder mit Cerebralparese mehr beachtet werden. Da eine gute Lebensqualität als Kind der stärkste Vorhersagewert für eine gute Lebensqualität als Jugendlicher ist und die weiteren Einflussfaktoren wie Schmerzen, Verhaltensauffälligkeiten und Erziehungsstress auch beeinflussbar sind, ist es notwendig, bereits in der frühen Kindheit Interventionen durchzuführen, um die Schmerzen und die psychologischen Probleme der Kinder sowie die Belastungen der Eltern zu reduzieren. Hiermit wäre es möglich, die Lebensqualität bei Jugendlichen mit Cerebralparese weiter zu verbessern.

Folgeprojekt beginnt seine Befragungen im April

Das Projekt wird mit der Befragung von jungen Erwachsenen mit Cerebralparese unter dem Namen TRANS-DISAB fortgeführt. Die Befragungen beginnen im April 2018. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Antragstellerinnen sind Prof. Dr. Silke Schmidt, Lehrstuhl Gesundheit und Prävention am Institut für Psychologie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, und Prof. Dr. Ute Thyen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Lübeck.

Der Quality-of-Life-Preis wird seit 1996 jährlich von dem Pharmaunternehmen Eli Lilly and Company für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Lebensqualitätsforschung vergeben. Die Preisverleihung 2017 fand am 3. November in Bad Homburg statt. Der zweite Preis ging an Dr. Julia Radosa von der Universitätsklinik des Saarlandes und Dr. Annemarie Klingenstein vom Klinikum der Universität München.

Dr. Marion Rapp