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Sonntag, 03.05.2015

Forschung

OXM könnte Störungen
der inneren Uhr korrigieren

Oxyntomodulin reguliert die nahrungsvermittelte Synchronisation der zirkadianen Uhr der Leber (Abb.: Oster)

Das Peptidhormon Oxyntomodulin reguliert die nahrungsvermittelte Synchronisation der zirkadianen Uhr der Leber

Das vom Darmepithel gebildete Peptidhormon Oxyntomodulin vermittelt die Adaptation der Stoffwechsel-Tagesrhythmik in der Leber an die der Nahrungsaufnahme über eine postprandiale Aktivierung der Period-Uhrengene. Dies konnte jetzt eine Forschergruppe um den Lübecker Chronophysiologen Prof. Dr. rer. nat. Henrik Oster zusammen mit Wissenschaftlern aus Göttingen, Toronto (Kanada) und San Diego (USA) nachweisen. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in der Open-Access-Fachzeitschrift eLIFE veröffentlicht.

Menschen (wie alle anderen Tiere) haben im Verlauf der Evolution ihr Verhalten und ihre Physiologie an den 24-Stunden-Rhythmus von Tag und Nacht angepasst. Bestimmte Gene werden im Tagesverlauf in allen Zellen unseres Körpers zuverlässig an- und ausgeschaltet. Sie wirken so als molekulare "zirkadiane" (von lateinisch circa diem – "um den Tag herum") Uhren, die dem Körper den 24-Stunden-Takt vorgeben. Bestimmte Signale, sogenannte "Zeitgeber", synchronisieren diese inneren Uhren untereinander und mit der äußeren Zeit. So ist Sonnenlicht der stärkste Zeitgeber für die Zentraluhr im Gehirn, während die Nahrungsaufnahme wichtig für die Adaptation von Uhren – und somit von uhrenkontollierten physiologischen Rhythmen – in peripheren Organen ist.

Unsere zirkadianen Uhren werden empfindlich gestört, wenn wir z.B. in Nacht- oder Rotationsschichten arbeiten müssen, was wiederum die Entwicklung von metabolischen Krankheiten wie Diabetes, aber auch von Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen fördert. Eine wichtige Rolle scheint dabei die tageszeitlich ungünstige Nahrungsaufnahme zu spielen.

Die der jetzt veröffentlichten Arbeit aus der Arbeitsgruppe Oster an der Medizinischen Universitätsklinik I in Lübeck zugrundeliegende Hypothese war, dass, wenn nach der Nahrungsaufnahme vom Magen-Darm-Trakt ausgeschüttete, sogenannte "postprandiale" Hormone zu einer Zeit ins Blut gelangen, in der die Person normalerweise schlafen würde, dies die zirkadianen Uhren in Stoffwechselorganen wie der Leber aus dem Takt bringen könnte. Mithilfe von organotypischen Leberschnittkulturen konnten die Lübecker Forscher ein Peptidhormon, das Oxyntomodulin (OXM), identifizieren, das nach der Nahrungsaufnahme im Darm gebildet wird und in der Leber die sogenannten Period-Uhrengene akut aktivieren kann. Diese Period-Aktivierung ähnelte dabei sehr der Uhrengenantwort auf nächtliche Lichtexposition im Gehirn.

Landgraf, Tsang et al. konnten zeigen, dass die Leberuhr-Effekte von Oxyntomodulin in Kultur und in Mäusen zu den Zeiten am größten waren, wenn die Tiere normalerweise schliefen - und damit fasteten. Eine Antikörper-vermittelte Blockierung des Hormons dagegen konnte die Störung der Leberuhr nach Nahrungsaufnahme in der Ruhephase effektiv unterbinden. Beim Menschen könnten diese Resultate zu einem neuartigen therapeutischen Ansatz führen, um den durch Störungen der inneren Uhr vermittelten Gesundheitsrisiken bei Schichtarbeitern entgegenzuwirken.

Publikation:
Oxyntomodulin regulates resetting of the liver circadian clock by food.
Dominic Landgraf, Anthony H Tsang, Alexei Leliavski, Christiane E Koch, Johanna L Barclay, Daniel J Drucker, Henrik Oster. eLife 2015;10.7554/eLife.06253.
DOI: http://dx.doi.org/10.7554/eLife.06253

Prof. Dr. Henrik Oster