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Montag, 29.08.2005

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Organic Computing

Experimentierplattform: der Lübecker Laufroboter OSCAR

Experimentierplattform: der Lübecker Laufroboter OSCAR

An der Uni Lübeck starten zwei Projekte in der Technischen Informatik und der Telematik

An der Universität zu Lübeck starten zwei Projekte im neuen DFG-Schwerpunktprogramm "Organic Computing". Es handelt sich um die Forschungsvorhaben "Organic Robot Control Architecture" (ORCA) am Institut für Technische Informatik und um den selbstregulierenden Ansatz zur Steuerung des Verkehrsflusses "AutoNomos" am Institut für Telematik. Die Fördersumme der DFG für die Lübecker Projekte beträgt insgesamt 280.000 Euro. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Projekte für die erste zweijährige Phase des im Jahr 2004 eingerichteten Schwerpunktprogramms 1183 "Organic Computing" genehmigt. Aus insgesamt 59 eingereichten Projektvorschlägen hat eine internationale Gutachterkommission 18 Projekte ausgewählt, die jetzt mit 31 Mitarbeitern ihre Arbeit aufnehmen können. Die Projekte werden von 24 Professoren an 14 Universitäten geleitet.

Angesichts des Zusammenwachsens von Computern und Kommunikation und der fortschreitenden Computerisierung unserer Umwelt ist es das Ziel des Schwerpunktprogramms, die wachsende Komplexität der uns umgebenden Systeme durch Mechanismen der Selbstorganisation zu beherrschen und an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren. Ein "organischer Computer" soll sich entsprechend den gewünschten Anforderungen dynamisch und selbstorganisierend den Umgebungsverhältnissen anpassen, das heißt er soll abhängig vom konkreten Anwendungsbedarf selbstorganisierend, -konfigurierend, -optimierend, -heilend, -schützend, -erklärend und umgebungsbewusst (adaptiv, kontextsensitiv) handeln. Hierzu sind neuartige Methoden, Verfahren und Basistechnologien zu entwickeln. Ihre technische Verwertbarkeit soll anhand anspruchsvoller Anwendungen demonstriert werden.

Die Ziele der Forschungsprojekte gliedern sich schwerpunktmäßig in die folgenden beiden Themenbereiche: Zum einen sollen aus Erkenntnissen über das Verhalten natürlicher und künstlicher komplexer Systeme Wege aufgezeigt werden, die technischen Systemen die notwendigen Freiheitsgrade für selbstorganisierendes Handeln eröffnen ("Emergentes Verhalten in technischen Systemen"). Es sollen Projekte definiert werden, die sich mit der Theorie komplexer Systeme, mit zielgerichteten emergenten Prozessen und mit der Problematik der Sicherheit und Stabilität selbstorganisierender technischer Systeme befassen. Es sollen Methoden bereitgestellt werden, um einerseits bewusst gewünschtes emergentes Verhalten technischer Systeme zu erzeugen und andererseits das Auftreten unerwünschter Emergenz zu erkennen und zu vermeiden.

Zum anderen erfordert die technische Nutzung der Prinzipien der Selbstorganisation Basistechnologien als Grundlage für eine Realisierung organischer Rechensysteme ("Technologien für Organic Computing"). Der Entwurf und die Gestaltung von organischen Gesamtsystemen erfordern geeignete (mehrstufige) Systemarchitekturen. Aus den Basistechnologien soll ein "Werkzeugkasten" mit aufeinander abgestimmten Konzepten, Methoden und Tools für den Entwurf und die Realisierung organischer Rechensysteme entwickelt werden. Zur Beurteilung der Effektivität und der Effizienz organischer Systeme werden Analysemethoden und Metriken benötigt.

Die Beherrschung von Komplexität ist eine der größten Herausforderungen für zukünftige verlässliche IT-Systeme. Traditionelle Fehlertoleranz mit ihren expliziten Fehlermodellen scheint hier ihre Grenzen zu erreichen. Lebende Organismen haben dagegen sehr effektive und effiziente Mechanismen wie das vegetative Nervensystem oder das Immunsystem entwickelt, mit denen sie auch auf unvorhergesehene Situationen adaptiv und selbstorganisierend reagieren können. Diese Systeme arbeiten unbewusst, emergent und machen den Körper selbst-schützend, selbst-heilend, selbst-optimierend und selbst-konfigurierend.

Inspiriert durch diese organischen Prinzipien soll am Lübecker Institut für Technische Informatik (Direktor Prof. Dr.-Ing. Erik Maehle) die Kontrollarchitektur ORCA (Organic Robot Control Architecture) entwickelt werden. Zielplattform sind komplexe verteilte eingebettete Echtzeitsysteme, insbesondere autonome mobile Roboter. Statt expliziter Fehlermodelle wird der "Gesundheitszustand" des Systems kontinuierlich durch so genannte OCUs (Organic Control Units) überwacht, die eng mit BCUs (Basic Control Units) verbunden sind, welche das normale Verhalten implementieren. Mit Techniken wie regelbasierten hybriden Crisp-Fuzzy Systemen oder adaptiven Filtern sind die OCUs online lernfähig und emergent an neue unvorhergesehene (Fehler-)Situationen adaptierbar. Zur Evaluation sind Simulationen und Experimente mit realen autonomen mobilen Robotern geplant. Als Experimentierplattform für das ORCA-Projekt dient der Lübecker Laufroboter OSCAR. Das Projekt wird gemeinsam mit der Universität Osnabrück und dem Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme in St. Augustin durchgeführt.

Im Projekt "AutoNomos" am Lübecker Institut für Telematik (Direktor Prof. Dr. rer nat. Stefan Fischer) soll ein verteilter und selbstregulierender Ansatz für die Selbstorganisation eines großen Systems aus vielen autonomen mobilen Objekten untersucht werden. Basierend auf Kommunikationsverfahren für mobile Ad-hoc-Netze im Verkehr und Ideen aus dem Bereich der verteilten Algorithmen werden lokale "Datenwolken" als Reaktion auf bestimmte Verkehrsstrukturen (z.B. Staus) gebildet. Diese "Hovering Data Clouds" (HDCs) bilden die Grundlage von "Organic Information Complexes" (OICs), die funktionale Einheiten innerhalb des Verkehrsflusses darstellen. Diese OICs residieren auf den sich bewegenden Fahrzeugen, sind jedoch in ihrer Lokalisierung unabhängig von ihnen. Beispielsweise könnte eine OIC das Ende eines Staus entdecken und überwachen. Dazu muss sie am Ort dieses Stauendes weiterbestehen, auch wenn die Host-Fahrzeuge sich bewegen. Basierend auf diesen ODCs werden "Adaptable Distributed Strategies" (ADSs) entwickelt, um auf  komplexe und sich ändernde Verkehrssituationen reagieren zu können. Die Strategien sollen schließlich zum Erreichen von globalen Zielen für die Fahrzeuge und den Verkehrsfluss führen. Das Projekt wird in Kooperation mit der TU Braunschweig durchgeführt und kombiniert praktisches Know-how aus dem Gebiet mobiler Ad-hoc-Netze mit theoretischem Wissen aus einem weiten Feld algorithmischer Problemstellungen.

Weitere Informationen zum Schwerpunktprogramm sind unter www.organic-computing.de/SPP verfügbar.