Website
Aktuelles
Donnerstag, 23.07.2020

Forschung

Nicht die Dosis, der Zeitpunkt macht das Gift

.

Lübecker Projekt zeigt: Die Wahl des richtigen Behandlungszeitpunkts könnte die negativen Spätfolgen der pränatalen Glukokortikoid-Therapie bei Frühgeborenen vermindern

Droht Schwangeren eine Frühgeburt, ist es seit vielen Jahren gängige Praxis, die Mütter mit hohen Dosen an Glukokortikoiden zu behandeln, um die Entwicklung der Lungenfunktion beim Ungeborenen zu beschleunigen. So lässt sich in vielen Fällen eine künstliche Beatmung der Frühgeborenen vermeiden. Nachteil der Behandlung: einige Kinder entwickeln später in Folge der Behandlung psychologische Probleme wie eine erhöhte Stressanfälligkeit.

Die Lübecker Forscher um Dr. Mariana Astiz, Isabell Heyde und Prof. Henrik Oster vom Institut für Neurobiologie am CBBM fanden zusammen mit Kollegen vom Institut für Psychologie I und der Neonatologie des UKSH nun heraus, dass der Zeitpunkt der Medikamentengabe einen wichtigen Einfluss auf die psychologischen Langzeitfolgen hat. Schlüssel dazu war die Erkenntnis, dass Glukokortikoide als wichtige Zeitsignale für die innere, sog. zirkadiane Uhr des Ungeborenen wirken. Mithilfe von Mäusen konnten die Forscher zeigen, dass eine Glukokortikoid-Gabe in der Ruhephase der Muttertiere deutliche Verhaltensänderungen bei den erwachsenen Nachkommen verursacht. Diese Effekte fielen viel milder aus, wenn das Medikament zu Beginn der Aktivitätsphase gegeben wurde. Solche Tageszeiteffekte konnten mit Hilfe des Deutschen Frühgeborenen Netzwerks beim Menschen bestätigt werden.

"Es ist natürlich verfrüht, aufgrund dieser einen Studie die Richtlinien zu ändern. Unsere Daten deuten aber klar darauf hin, dass der Tageszeitpunkt der Behandlung einen wichtigen Einfluss auf das Wirkung-Nebenwirkungs-Verhältnis der antenatalen Glukokortikoid-Therapie hat. Die Wahrscheinlichkeit ungewollter Spätfolgen ließe sich so relativ leicht minimieren", sagt Dr. Astiz, die Leiterin der Studie.

Das Projekt wurde finanziell von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der International Brain Research Organisation unterstützt. Neben der Universität zu Lübeck sowie dem UKSH waren weitere Arbeitsgruppen aus Essen, Witten/Herdecke und Köln beteiligt.

Publikation: 

Astiz M, Heyde I, Fortmann MI, Bossung V, Roll C, Stein A, Grüttner B, Göpel W, Härtel C, Obleser J, Oster H. The circadian phase of antenatal glucocorticoid treatment affects the risk of behavioral disorders. Nat Commun. 2020 Jul 17;11(1):3593. doi: 10.1.

Kontakt:    

Dr. Mariana Astiz / m.astiz@uni-luebeck.de
Prof. Dr. Henrik Oster / henrik.oster@uni-luebeck.de
www.neurobio.uni-luebeck.de

   

Mithilfe von Mäusen konnten die Forscher zeigen, dass eine Glukokortikoid-Gabe in der Ruhephase der Muttertiere deutliche Verhaltensänderungen bei den erwachsenen Nachkommen verursacht (Abb.: Astiz et al.)

Dr. Mariana Astiz