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Mittwoch, 28.10.2020

Forschung

Magnetic Particle Imaging: Bildrekonstruktion bereit für die klinische Anwendung

Am Institut für Medizintechnik wird das neue Verfahren erforscht: Dreidimensionale Bilder aus dem menschlichen Körper von nie dagewesener Geschwindigkeit und Präzision

2017 waren Wissenschaftler der Universität zu Lübeck bereits beteiligt, einen Weltrekord an Genauigkeit für die Magnet-Partikel-Bildgebung (MPI für englisch: Magnetic Particle Imaging) aufzustellen. Jetzt wurden die beiden größten Probleme für die Bildrekonstruktion für ein klinisches MPI-System gelöst. Die Wissenschaftler berichten darüber in einer Fachveröffentlichung, die am 28.10.2020 in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature – Scientific Reports erschienen ist.

Das seit 2007 am Institut für Medizintechnik erforschte Bildgebungsverfahren Magnetic Particle Imaging (MPI) nutzt die einzigartigen magnetischen Eigenschaften von gerade einmal 0,00001 mm großen Eisenoxidpartikeln, um dreidimensionale in-vivo Bilder zu erzeugen. Die winzigen Magnetpartikel, die etwa 50mal kleiner sind als die Wellenlänge des sichtbaren Lichtes, werden dazu mit unbedenklichen Magnetfeldern angeregt. Dabei geben die Partikel charakteristische elektromagnetische Signale ab, aus denen dreidimensionale Bilder berechnet werden können. Die Methode sticht besonders durch ihre Echtzeitfähigkeit hervor und ist dabei nicht auf gesundheitsschädliche radioaktive Strahlung angewiesen.

Auf diesem Gebiet ist es Forschern des Instituts für Medizintechnik gelungen, die beiden größten Probleme der Bildrekonstruktion für ein klinisches MPI-System zu lösen, nämlich die Austauschbarkeit von Empfangsspulen für die Bildrekonstruktion zu gewährleisten und die nötigen Kalibriermessungen in ein spezielles Gerät auszulagern, damit das klinische MPI-System dauerhaft in der Patientenversorgung zur Verfügung steht.

Herkömmlicherweise wird für die Bildrekonstruktion das MPI-System kalibriert: dafür wird eine Probe der Magnetpartikel mit einem Roboter an viele Zehntausend verschiedene Orte im MPI-System gefahren und dort vermessen. Diese Kalibriermessungen werden später benötigt, um die unbekannte Magnetpartikelverteilung im menschlichen Körper in ein Bild zu transformieren. Ein großer Nachteil dieser Methode ist, dass die Kalibrierung Tage oder sogar Wochen dauern kann. In dieser Zeit kann das klinische MPI-System nicht für Patientenmessungen verwendet werden. Den Forschern am Institut für Medizintechnik ist es gelungen, die Messzeit um 96 % zu reduzieren und in ein spezielles Spektrometer auszulagern. Mit diesem Verfahren steht ein klinisches MPI-System ohne Unterbrechung in der Patientenversorgung zur Verfügung. Bei Bedarf können die Kalibriermessungen in nur wenigen Minuten oder Stunden in dem Spektrometer aufgenommen werden.

Die Forschungsergebnisse sind ein wichtiger Schritt hin zur klinischen Anwendung von MPI. Bisher war durch die Belegung des MPI-Systems zur Kalibrierung keine wirtschaftliche Nutzung in der Klinik denkbar und die Versorgung auf wenige Patienten eingeschränkt. Die neue Arbeit zeigt, dass die Kalibriermessungen sehr schnell außerhalb des MPI-Systems aufgenommen werden können und sogar die Zahl der Messungen reduziert werden kann. Damit ist eine große Hürde hin zur klinischen Anwendbarkeit von MPI genommen.

Publikation:
Anselm von Gladiß, Matthias Gräser, André Behrends, Xin Chen und Thorsten M. Buzug: “Efficient hybrid 3D system calibration for magnetic particle imaging systems using a dedicated device”, Nature – Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-020-75122-5

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MPI-Bild (links), das mit den Kalibriermessungen der Forscher des Instituts für Medizintechnik rekonstruiert wurde. Es zeigt ein Messphantom, das eine menschliche Niere repräsentiert (rechts).

Anselm von Gladiß (links) und Dr.-Ing. Matthias Gräser (rechts) haben das Prinzip der effizienten, hybriden Systemkalibration am Institut für Medizintechnik der Universität zu Lübeck erfunden.