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Dienstag, 28.01.2003

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Krebs in Schleswig-Holstein: Uni Lübeck befragt landesweit 3000 Patienten

Dr. Alexander Katalinic und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Instituts für Krebsepidemiologie in Lübeck

Dr. Alexander Katalinic und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Instituts für Krebsepidemiologie in Lübeck

Deutsche Krebshilfe fördert neues Projekt mit 350 000 Euro

Mit einer der größten Patientenbefragung, die es in Deutschland im Zusammenhang mit Krebserkrankungen bisher gegeben hat, wollen Wissenschaftler der Universität zu Lübeck die Qualität der medizinischen Versorgung in Schleswig-Holstein sowie die Zufriedenheit der Patienten mit dem Angebot ermitteln. Hierzu werden 3000 Frauen und Männer, die an Brust-, Prostata- oder Hautkrebs erkrankt sind, befragt. Die Studie wird in den nächsten drei Jahren mit insgesamt 350 000 Euro von der Deutschen Krebshilfe gefördert.

Wissenschaftliche Studien widmen sich in aller Regel dem möglichen Erfolg einer Therapie: Wirkt das neue Medikament? Welche Dosierung ist die effektivste? Wie groß ist der Vorteil gegenüber einer Scheinbehandlung? Wie es den Patienten fernab statistischer Daten tatsächlich geht - etwa ob sie sich ausreichend informiert fühlen, körperlich und seelisch beeinträchtigt sind, psychologische Hilfe benötigen - , wird in solchen Untersuchungen nur selten ermittelt.

Genau diese Fragen sind es, die einen Schwerpunkt in dem neuen Projekt des Instituts für Krebsepidemiologie der Universität Lübeck bilden: In der so genannten OVIS-Studie (OVIS = Onkologische Versorgung In Schleswig-Holstein) werden Patienten über das Krebsregister Schleswig-Holstein identifiziert und nach dem Verlauf ihrer Erkrankung, nach ihrem Wohlbefinden sowie der medizinischen Versorgung von der Diagnose über die Therapie bis zur Nachsorge befragt. "3000 Patienten werden in den nächsten drei Jahren in die Untersuchung einbezogen. Damit ist dies das größte Projekt seiner Art, das es in Deutschland bisher gegeben hat", erläutert Studienleiter Dr. Alexander Katalinic. Ziel der Studie ist es, die Qualität der Versorgung von Krebspatienten besser beurteilen zu können.

Die Erfassung bösartiger Tumorerkrankungen ist in Schleswig-Holstein seit 1998 durch das Landeskrebsregistergesetz geregelt. Demnach sind alle Ärzte des Landes gesetzlich verpflichtet, neu aufgetretene Erkrankungen an das Krebsregister des Landes zu melden. Dieses Register ist zweigeteilt: Die in der Ärztekammer Schleswig-Holstein beheimatete Vertrauensstelle ist die Kontaktstelle für den meldenden Arzt. Dort werden die personenbezogenen Daten namentlich oder anonym (dem Willen des Patienten entsprechend) gespeichert. Die Registerstelle erhält die Krankheitsdaten in anonymisierter Form und wertet diese aus.

Die Registerstelle ist eingebettet in das Institut für Krebsepidemiologie (IKE), das von Prof. Dr. Dr. Heiner Raspe geleitet wird. Das IKE wurde 1996 als gemeinnütziger Verein gegründet und ist ein so genanntes An-Institut der Universität zu Lübeck. Dort bearbeitet ein Team aus Wissenschaftlern und medizinischen Dokumentaren die aus der Vertrauensstelle eingegangenen Meldungen, die Grundlage für die epidemiologisch-statistischen Auswertungen sind.

14 748 bösartige Tumorneuerkrankungen - so weist es der soeben vom IKE erstellte Krebsbericht des Landes aus - wurden im Jahr 2000 von den schleswig-holsteinischen Ärzten gemeldet. Brustkrebs ist mit knapp 2000 Neuerkrankungen der mit Abstand häufigste Tumor bei Frauen - jede dritte Frau, die in Schleswig-Holstein an Krebs erkrankt, hat Brustkrebs. Bei Männern liegt das Prostatakarzinom an erster Stelle: Beinahe jeder vierte Krebspatient leidet an bösartigen Veränderungen der Vorsteherdrüse; rund 1300 neue Patienten wurden in 2000 registriert. Am stärksten im Steigen begriffen sind die Fallzahlen beim schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom): Seit den 70er Jahren hat sich die Häufigkeit verdoppelt, in Schleswig-Holstein erkranken etwa 500 Frauen und Männer pro Jahr an dem Tumor, der zu einem großen Teil auf zu intensive Sonneneinstrahlung zurück zu führen ist.

"Genau diese drei Krebsarten sind es, deren Verläufe wir mit unserer Studie genauer unter die Lupe nehmen wollen", erklärt Dr. Katalinic. Schon in den nächsten Tagen wird den ersten 1500 Brust-, Prostata- und Hautkrebspatienten ein umfassender Fragebogen zugesandt. "Einbezogen werden zunächst Patienten, die nach dem 1. Januar 2001 erkrankt sind und sich namentlich bei der Vertrauensstelle haben registrieren lassen." Mit der namentlichen Meldung erklären die Patienten ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme an einem Forschungsvorhaben. Die weiteren Studienteilnehmer werden in den nächsten zwei Jahren aus den jeweils aktuellen Meldungen rekrutiert. Die Teilnahme ist in allen Fällen freiwillig, Katalinic rechnet aufgrund erster Erfahrungen aus Voruntersuchungen mit einer Rücklaufquote von bis zu 80 Prozent. 

Der Fragebogen selbst umfasst 67 Fragen, für die jeweils mehrere Antworten vorgegeben sind. Zunächst werden die Patienten ausführlich zur Entdeckung und Diagnosestellung ihrer Erkrankung befragt. Es folgen Fragen zur Therapie (Operation, Hormon- oder Chemotherapie, Strahlenbehandlung), zu ergänzenden Maßnahmen (Immunmodulation, alternative Heilmethoden), zur Rehabilitation (ambulant, stationär) und zur Tumornachsorge.

Ein weiterer zentraler Punkt der Untersuchung ist es, regionale Unterschiede im Krankheitsverlauf und in der Behandlung genauer zu analysieren. "Wir wissen aus Vorstudien, dass an der Westküste, in Nordfriesland sowie in der Region Flensburg-Schleswig die Tumorstadien bei Brustkrebs zum Zeitpunkt der Diagnose ungünstiger sind als etwa in Lübeck", erläutert Katalinic. "Das heißt aber nicht, dass die medizinische Versorgung in diesen Bereichen schlechter ist. Es kann genauso sein, dass die Frauen dort einfach später zum Arzt gehen und ihre Erkrankung deshalb bereits weiter fortgeschritten ist." In beiden Fällen, so Katalinic, müsse gehandelt werden: Im ersten gelte es, die medizinische Qualität weiter zu verbessern, im zweiten die Aufklärung zu intensivieren.

Auch soll die Frage genauer untersucht werden, wo sich die Patienten behandeln lassen und welche Auswirkungen die Wahl der Klinik auf den Genesungsverlauf hat. Führende Experten fordern seit langem, dass Tumoroperationen nur noch in spezialisierten Zentren durchgeführt werden, in denen Chirurgen agieren, die aufgrund der hohen Fallzahlen sehr viel Routine im Umgang mit der Erkrankung erworben haben.

Erste Ergebnisse der Studie, an deren Auswertung neben den Epidemiologen u.a. eine Psychologin, eine medizinische Doktorandin und eine Dokumentarin beteiligt sind, erwartet Katalinic noch in diesem Jahr. Dann laufen die Planungen für das nächste Projekt bereits auf Hochtouren: "Mit den Patienten, die wir derzeit anschreiben, wollen wir auch eine Folgestudie durchführen und feststellen, wie sich ihre Lebensqualität über einen längeren Zeitraum nach Abschluss der Erstbehandlung entwickelt."

Uwe Groenewold / Pressedienst Universität zu Lübeck

Der aktuelle Bericht "Krebs in Schleswig-Holstein, Inzidenz und Mortalität im Jahr 2000" ist erhältlich über das Institut für Krebsepidemiologie, beim Verlag Schmidt-Römhild in Lübeck, Tel. 0451/703101, oder im Internet unter www.krebsregister-sh.de

Das Foto ist zur Veröffentlichung freigegeben. Um ein Belegexemplar wird freundlichst gebeten.