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Dienstag, 26.01.2016

Forschung

Neue DFG-Forschergruppe „ViroCarb“

Entwicklung neuartiger antiviraler Therapiekonzepte: Lübecker Virologen und Chemiker erforschen die Rolle von Zuckerstrukturen bei Infektionen

Zur Erforschung der Rolle komplexer Zuckerstrukturen bei Virusinfektionen richtet die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Universität zu Lübeck und an fünf weiteren Standorten die standortübergreifende Forschergruppe „ViroCarb“ ein („Glycans Controlling Non-Enveloped Virus Infections“, FOR 2327). Als ausgewählte Viren stehen die Noroviren, die Papillomaviren und die Polyomaviren im Fokus.

Zunächst geht es um die Erforschung der molekularen Erkennungsprozesse zwischen Zuckerstrukturen (Glykanen) und der Virushülle auf der Oberfläche von Wirtszellen. Langfristig werden die Erkenntnisse zur Entwicklung neuartiger antiviraler Therapiekonzepte verwendet werden. An der Universität zu Lübeck sind an „ViroCarb“ die Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Stefan Taube (Virologie) und Prof. Dr. Thomas Peters (Chemie) beteiligt. Prof. Peters ist stellvertretender Sprecher der Forschergruppe, deren Sprecherhochschule die Universität Tübingen ist (Sprecher Prof. Dr. Thilo Stehle). Das Projekt wird für die nächsten drei Jahre mit insgesamt ca. drei Millionen Euro gefördert.

Die Forschergruppe widmet sich Fragestellungen aus dem noch sehr jungen Gebiet der Glycovirologie. Die Fragestellungen erfordern ein hohes Maß an interdisziplinärem wissenschaftlichen Arbeiten, entsprechend bildet „ViroCarb“ eine große methodische Breite ab. Es kommen komplexe biophysikalische Methoden wie die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), die Röntgenkristallographie und die Massenspektrometrie zum Einsatz. In Kombination mit Techniken aus der Virologie, der Zellbiologie und der Synthesechemie werden fundamental neue Erkenntnisse hinsichtlich der Rolle komplexer Glykane bei Virusinfektionen erwartet.

Eine Besonderheit der neuen Forschergruppe ist die Verteilung der Arbeitsgruppen über sechs Standorte. Neben Tübingen und Lübeck sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Düsseldorf, Heidelberg, Münster und Hamburg an dem Verbundprojekt beteiligt. Die dezentrale Aufstellung erfordert einen regelmäßigen Austausch von Doktoranden und Postdoktoranden zwischen den verschiedenen Standorten. Ein erstes öffentliches Treffen der Forschergruppe findet anlässlich der internationalen Tagung „Noroviruses and Beyond - Glycans as Drivers in Viral Infection“ im März 2016 in Lübeck statt. Auf dieser Tagung werden erste Forschungsergebnisse der Gruppe präsentiert

Die Lübecker Forscher Prof. Taube und Prof. Peters widmen sich im Rahmen der Forschergruppe den Noroviren, wichtigen Verursachern akuter und chronischer Magen-Darm-Erkrankungen. In der Arbeitsgruppe Taube werden insbesondere murine Noroviren in Zellkultur und im Kleintiermodell untersucht. Mithilfe der hochauflösenden Kernspinresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) in der Arbeitsgruppe Peters kann so der Bogen von der atomaren bzw. molekularen Ebene bis ins Tiermodell geschlagen werden. Ziele dieser Untersuchungen sind es zum einen, die Rolle von Glykanen bei der Infektion besser zu verstehen, und zum anderen, antivirale Wirkstoffe zu entwickeln, die eine Infektion blockieren können.

Die Forschergruppe "ViroCarb" beim Site Visit im September 2015 an der Universität Tübingen (Prof. Stehle links, Prof. Taube 2. v.l. und Prof. Peters rechts)

Mit Hilfe eines speziellen Verfahrens, der sogenannten STD-NMR-Spektroskopie, lassen sich die Bereiche eines Moleküls identifizieren, die einen direkten Kontakt mit der Virusoberfläche herstellen. Rot bedeutet in diesem Fall, dass dieser Teil des B-Blutgruppenantigens, das sich beispielsweise auf Wirtszelloberfläche befindet, besonders dicht auf der Virusoberfläche liegt. Diese Informationen sind essentiell für die Entwicklung von antiviralen Wirkstoffen.