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Mittwoch, 22.11.2000

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Flugsimulation für die Psychotherapie von Panikstörungen

Vorbereitungen für die Flugsimulation

Vorbereitungen für die Flugsimulation

Die MUL auf der Medica 2000

Mit einem virtuellen Flug, der in der Psychotherapie von Panikstörungen genutzt wird, und drei weiteren Exponaten präsentiert sich die Medizinische Universität auf der Medica 2000. Die weltgrößte Fachmesse für High-Tech in Klinik und Praxis findet vom 22. - 25. November in Düsseldorf statt. Neben der Flugsimulation für die Psychotherapie ist die MUL auf der diesjährigen Medica mit den Themen "Neue optische Diagnoseverfahren in der Medizin" (Medizinisches Laserzentrum Lübeck und Uniklinik für Dermatologie und Venerologie), "Behandlung von Knorpeldefekten durch Chondrozytenimplantation" (Uniklinik für Orthopädie) und "Neue Methode zur Kalibration von Pulsoximetern" (Institut für Medizintechnik der MUL) vertreten. Die Lübecker Exponate sind auf der Medica in Messehalle 14 am Stand E 03 zu finden.

In der Psychotherapie wird mehr und mehr auch auf Computer und virtuelle Welten zurück gegriffen. Erste erfolgreiche Behandlungen haben Ende der 90er Jahre stattgefunden, vor allem in Bezug auf Höhen- und Spinnenangst.

Das Fliegen in einem Flugzeug ist oft so stark angstbesetzt, dass die Betroffenen sich nicht überwinden können, ein Flugzeug zu besteigen. Daher haben die Medizinisch-Psychosomatische Klinik Bad Bramstedt (in Kooperation mit der MUL), die Universitätsklinik für Psychiatrie in Graz und die Firma Insight Instruments (Wien) eine Software entwickelt, die einen Flug von Hamburg nach München simuliert. 

Im Gegensatz zu früheren Geräten, die das Tragen eines schweren Helmes notwendig machten, haben die Patienten eine leichte Brille auf. Es erscheint ein dreidimensionales Bild aus dem Inneren eines Verkehrsflugzeuges. Rechts neben seinem Sitz sieht der Patient ein Fenster, durch das er zu Beginn das Flughafengebäude und später, nach dem Start, die Landschaft erkennt. Die virtuelle Realität gestattet es ihm, den Kopf zu drehen, zu heben und zu senken, so dass er auch seine Umgebung betrachten kann und nicht nur ein starres dreidimensionales Bild vor sich hat. Der Patient sitzt auf einem Original-Flugzeugsitz, über den Kopfhörer werden Triebwerkgeräusche und Unterhaltungen der Mitpassagiere eingespielt, um die Situation in einer Passagiermaschine möglichst naturgetreu wiederzugeben. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase mit Brille und Kopfhörer, den Sicherheitsanweisungen der Flugbegleiter und dem Anschnallen startet der virtuelle zwanzigminütige Flug.

Damit die Patienten überprüfen können, ob sie nach der Therapie tatsächlich - oft erstmals nach vielen Jahren wieder - angstfrei fliegen können, wurden der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik dankenswerter Weise dreißig Freiflüge von Hamburg nach München und retour zur Verfügung gestellt.

Hintergrund:
Neue optische Diagnoseverfahren in der Medizin

Die Optische Kohärenztomographie (OCT) erlaubt es in stark streuenden Medien Strukturen in der Größenordnung von 10 Mikrometern ( = 10 Millionstel Metern) aufzulösen. Mittels OCT lassen sich in der Dermatologie nebenwirkungsfrei oberflächennahe Hautschichten wie die Hornschicht, die Epidermis und die obere Dermis darstellen. Die Methode eignet sich zur Diagnostik von entzündlichen Hauterkrankungen und Tumoren, zur Verlaufsbeobachtung und zur Evaluierung von Therapieeffekten.

In der Ophthalmologie eröffnet das OCT neue Möglichkeiten für den vorderen und hinteren Augenabschnitt. Besonders bewährt hat es sich bei Untersuchungen von Veränderungen der Netzhaut wie Makula-Löchern, Ödemen oder Narben. 

Die Fluoreszenzdiagnostik von Tumoren gehört zu den optischen Technologien, die Fortschritte in vielen Bereichen der medizinischen Diagnostik ermöglichen. Für die Tumordiagnostik können Fluoreszenzfarbstoffe eingesetzt werden, die sich selektiv in malignem Gewebe anreichern. Das Medizinische Laserzentrum und Kliniken der Medizinischen Universität Lübeck haben dieses Prinzip erfolgreich auf die Diagnostik von Metastasen des Eierstocks (Ovarialkarzinom) und des Plattenepithelkarzinoms des Mundes ausgeweitet. Weitere Anwendungen der Fluoreszenzdiagnose in anderen Fachbereichen werden zur Zeit intensiv erforscht. Vorteil dieses Verfahrens ist, dass es im Gegensatz zu anderen bildgebenden Verfahren der Medizin wie z.B. der Computer- (CT) oder der Kernspinresonanztomographie (NMR) nur eine vergleichsweise kostengünstige Ausstattung erfordert.


Eine neue Methode zur Kalibration von Pulsoximetern

Die Pulsoximetrie ist ein nicht-invasives Verfahren zur kontinuierlichen Messung der Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes. Pulsoximeter werden bisher ausnahmslos in Probandenstudien kalibriert. Der Pulsoximeter-Kalibrator ist ein Gerät, das es ermöglichen soll, die Gerätekalibirierung zu überprüfen, ohne auf Probanden zurückgreifen zu müssen. Das vorgestellte Konzept wurde federführend vom Institut für Medizintechnik der MUL entwickelt. Es erfordert im einzelnen beträchtliches Know-how in Hard- und Software. Da die europäische Normungsbehörde dem Projekt positiv gegenübersteht, erscheint eine kommerzielle Auswertung vielversprechend.

Die Pulsoximetrie hat sich in den letzten zwanzig Jahren zu einer der wichtigsten Methoden entwickelt, um den Zustand des Patienten in kritischen Situationen, insbesondere bei der Anästhesie und auf der Intensivstation, zu beurteilen. Gemessen wird der Beladungszustand der arteriellen Blutes mit Sauerstoff als Aussage der Sauerstoffversorgung des Patienten. (Eine Unterbindung der Versorgung für nur fünf Minuten führt im allgemeinen schon zu bleibenden Schädigungen des Gehirns bzw. zum Tod.)

Die Messung erfolgt, ohne dass in dem Körper eingedrungen wird (also nicht-invasiv), über die Durchstrahlung z.B. eines Fingers mit Licht von zwei Wellenlängen (Farben). Die Unterscheidung des interessierenden arteriellen Blutes vom restlichen Gewebe gelingt dadurch, dass in den optischen Signalen nur die durch den Herzschlag erzeugten zeitlichen Spitzen herangezogen werden.

Trotz der wachsenden Bedeutung war es bisher nicht möglich, Pulsoximeter zu kalibrieren oder ihre Leistungsfähigkeit zu vergleichen, ohne reale Patienten zur Ader zu lassen und die Anzeigewerte mit blutig erhaltenen Laborwerten zu vergleichen. In dem in einer multizentrischen europäischen Studie erarbeiteten Konzept wird das vom Pulsoximeter empfangene Licht aufgenommen, mit den in einer Datenbank gespeicherten Patientendaten moduliert und auf die Detektoren des Pulsoximeters zurückgespielt.


Behandlung von Angstattacken in der modernen Psychotherapie

Psychotherapie hat sich weiterentwickelt - es geht nicht mehr allein darum, einem Problem auf die Spur zu kommen, unbewusste Konflikte aufzudecken und damit die Lösung herbeizuführen. Psychotherapie bedeutet auch, sich den Problemen zu stellen, eine aktive Veränderung herbeizuführen. Diese aktive Form des Umganges mit psychischen Störungen hat sich in der Behandlung aller psychischer Erkrankungen als äußerst wirkungsvoll erwiesen - als pars pro toto sei die Panikstörung angeführt. Aufgrund der Fehlinterpretation körperlicher Symptome kommt es zum Auftreten von Angstattacken, wobei im allgemeinen eine dieser Befürchtungen von den Betroffenen berichtet wird: die Angst, ohnmächtig zu werden, zu sterben (meist Herzinfarkt oder Schlaganfall) oder verrückt zu werden. Die Patienten beginnen sich, um weitere Panikattacken zu vermeiden, einerseits körperlich zu schonen, andererseits entwickeln sie eine sogenannte Agoraphobie, indem sie Orte, an denen eine Panikattacke auftreten könnte oder Hilfe nur schwer erreichbar wäre, vermeiden. Dadurch kommt es zu einer immer größeren Beeinträchtigung des Lebensraumes, so dass viele Betroffene kaum mehr alleine das Haus verlassen können. Eine massive Einschränkung der Lebensqualität ist die Folge, alltägliche Tätigkeiten können kaum mehr ausgeübt werden.
 
Am schlimmsten ist für viele Angstpatienten und -patientinnen der Gedanke, ein Flugzeug besteigen zu müssen: hoch oben in der Luft, keine Hilfe weit und breit, weit entfernt vom nächsten Krankenhaus! Und dazu noch die Peinlichkeit einer Panikattacke, eingeschlossen mit mehr als hundert Mitreisenden! Sicherlich, man kann das Fliegen vermeiden - aber viele schöne Dinge bleiben den Betroffenen dadurch vorenthalten: die Mandelblüte auf Mallorca, die Pyramiden von Gizeh, die Skyline New Yorks. Viel schlimmer noch, wenn es jemanden trifft, der aus beruflichen Gründen reisen muss! Diese Art der Flugangst unterscheidet sich aber von der Flugangst im engeren Sinne: dabei steht die Angst vor einem Unglück (z.B. vor einem Absturz) im Vordergrund. Dafür stehen auch entsprechende Flugangstseminare der Airlines zur Verfügung. Entwickelt sich die Flugangst jedoch im Rahmen einer Panikstörung, so gelangen andere therapeutische Strategien zur Anwendung, ein wichtiger Teil ist die Expositionsbehandlung, d.h. die Konfrontation mit der angstauslösenden Situation. Durch die Exposition sollen die Patienten erkennen, dass die erwartete Katastrophe nicht eintritt.

Flugsimulation (Bild 1)

Flugsimulation (Bild 1)

Flugsimulation (Bild 2)

Flugsimulation (Bild 2)