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Freitag, 05.06.2020

Forschung

Einschränkungen zügig, aber geordnet lockern

Untersuchungen zur Immunität von in Lübeck gemeldeten COVID-19-Infizierten vorab veröffentlicht

Am Gesundheitsamt in Lübeck wurden die Antikörper-Antwort und der klinische Verlauf von an COVID-19 Erkrankten untersucht und ausgewertet. Die Ergebnisse erlauben wissenschaftlich begründete Empfehlungen für den Umgang mit SARS-CoV-2 in der Hansestadt. Die Untersuchung biete „genügend Grundlage, um die bestehenden Einschränkungen im Alltagsleben zügig, aber geordnet, lockern zu können“, sagt Erstautor Prof. Dr. Werner Solbach, ehemaliger Leiter des Institutes für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität zu Lübeck.

Am 29. Februar 2020 wurde der erste laborbestätigte Fall einer Erkrankung mit dem SARS-CoV-2 in Lübeck bekannt. Damit erreichte die Pandemie die Hansestadt rund einen Monat später als die Bundesrepublik. Der erste Fall in Deutschland wurde am 27. Januar 2020 berichtet. Bis zum 3. Juni 2020 wurden insgesamt 166 sogenannte Index-Patienten mit der COVID-19-Erkrankung an das Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck gemeldet. Ein Patient ist gestorben.

Im Zeitraum von Mitte April bis Mitte Mai haben Wissenschaftler aus dem Zentrum für Infektions- und Entzündungsforschung der Universität zu Lübeck zusammen mit dem Gesundheitsamt Lübeck und einer Praxis für Allgemeinmedizin bei 110 der Index-Patienten im Alter von 16 bis 82 Jahren die Antikörper-Antwort und den klinischen Verlauf untersucht, um eine Grundlage zur Bewertung der Immunitätslage zu haben. Die Ergebnisse wurden jetzt vorab veröffentlicht.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren alle Patienten negativ für SARS-CoV-2 mRNA im Rachenabstrich und gelten damit als genesen. 84 Prozent der Untersuchten gaben an, dass die Krankheitszeichen leicht bis mittelschwer waren. Bei 10 Prozent verlief die Infektion sogar ohne jegliche Symptome. Mehr als die Hälfte berichtete über Veränderungen im Schmecken und/oder Riechen, teilweise über mehrere Wochen.

Rund drei Wochen nach der Infektion konnten bei mehr als 70 Prozent der Patienten wiederholt deutliche Antikörpermengen im Blut nachgewiesen werden. Interessanterweise korrelierten die Spiegel der Antikörper nicht mit der Schwere des Krankheitsverlaufes, dem Alter oder dem Geschlecht.

„Die Daten zeigen zum ersten Mal bei einem klar definierten Patientenkollektiv, nämlich bei Genesenen, die Antikörperverläufe nach Art und Höhe“, sagt Solbach. „Sehr interessant ist der Befund, dass bei rund 30 Prozent der Patienten keine Antikörper gefunden wurden. Möglicherweise war die Menge der aufgenommenen Viren nicht ausreichend, um eine robuste Antikörperantwort in Gang zu setzen.“

Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob und wie lange die Antikörper vor einer erneuten Infektion schützen. Dafür spricht vieles, allerdings sind die wissenschaftlichen Grundlagen noch nicht ausreichend für eine endgültige Beurteilung. Es zeichnet sich aber sehr deutlich ab, dass in der Niedrig-Inzidenz-Region Lübeck mit 79 Fällen pro 100.000 Einwohnern (zum Vergleich: Bayern 360 Fälle pro 100.000 Einwohner) zum jetzigen Zeitpunkt die Rate der Antikörper-positiven Einwohner im unteren einstelligen Prozentbereich liegen dürfte. „Zusammen mit dem Befund, dass seit dem 28. Mai keine neuen Fälle bekannt wurden, bietet dies genügend Grundlage, um die bestehenden Einschränkungen im Alltagsleben zügig, aber geordnet, lockern zu können“, sagt Solbach.

„Die Erhebung ist durch das Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck durchgeführt worden und in einer Vorabveröffentlichung erschienen“, sagte Prof. Dr. med. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Präsidentin der Universität zu Lübeck. „Weitere Ergebnisse zur Ausbreitung des Coronavirus in der Lübecker Bevölkerung wird die Längsschnittuntersuchung ELISA erbringen, die derzeit in Kooperation der Universität zu Lübeck, des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und des Gesundheitsamtes der Hansestadt Lübeck durchgeführt wird.“

Die vollständige Publikation:
Antibody profiling of COVID-19 patients in an urban low-incidence region in Northern Germany. Werner Solbach, Julia Schiffner, Insa Backhaus, David Burger, Ralf Staiger, Bettina Tiemer, Andreas Bobrowski, Timothy Hutchings, Alexander Mischnik. Preprint 2. Juni 2020 bei MedRxiv. doi.org/10.1101/2020.05.30.20111393

Prof. Dr. Werner Solbach