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Donnerstag, 10.11.2016

Universität

Die Wissenschaftspreise der Universität 2016

Preise für Dr.-Ing. Dirk Fortmeier, Dr. Christiane Koch und Dr. Alvaro Mallagaray de Benito. Stellvertretend für Dr. Katharina Schregel nahm Dr. Uwe Melchert den Roth-Preis entgegen (v.l.n.r.; Fotos: Guido Kollmeier / Uni Lübeck)

Herausragende Nachwuchswissenschaft in Neuroradiologie, Medizinischer Informatik, Angewandter Chemie und Hirnforschung

In einem breiten Themenspektrum findet an der Universität zu Lübeck exzellente Nachwuchsforschung auf nationalem und internationalem Niveau statt. Dies belegen die Wissenschaftspreise der Universität, die in einer Feierstunde am 10. November 2016 im Rathaus der Hansestadt verliehen wurden. Zu der Preisverleihungsfeier begrüßte der Präsident der Universität, Prof. Dr. Hendrik Lehnert. Als Erster stellvertretender Stadtpräsident überbrachte Klaus Puschaddel das Grußwort der Hansestadt. Monique Wengler (Gesang) und Sven Alexander Rieper (Flügel) vom Ensemble Kammerpop umrahmten die Feierstunde musikalisch mit Werken von Cole Porter sowie Dr. Luke und Benny Blanco. Im Anschluss lud das Präsidium zu einem Stehempfang im Foyer des Rathauses.

Es wurden die folgenden Preise verliehen:

Dr. med. Katharina Schregel wurde für ihre Dissertation „Magnetresonanz-Elastographie zur objektiven Quantifizierung der zerebralen Biomechanik in einem Maus-Modell der Multiplen Sklerose“ mit dem Otto-Roth-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Prof. Dr. med. Dirk Petersen, ehemaliger Direktor des Instituts für Neuroradiologie der Universität zu Lübeck.
Katharina Schregel, 1986 in Freudenberg (Nordrhein-Westfalen) geboren, studierte 2006 bis 2013 Humanmedizin in Lübeck. Ihre Dissertation fertigte sie am Institut für Neuroradiologie in Kooperation mit dem Laboratoire Ondes et Acoustique und dem Laboratoire d’Imagerie Physiologique et Moléculaire de l’Abdomen, Paris, an. Sie befasst sich mit innovativer, experimenteller Bildgebung auf dem Gebiet der Neuroimmunologie. Die erst kürzlich entwickelte Methode der Magnetresonanz-Elastographie (MRE) bietet Ansätze zur Erfassung biomechanischer Gewebsparameter, die bislang nur aus intraoperativen Situationen bekannt waren. Dr. Schregel führte eine technisch aufwendige und umfangreiche Studie an Mäusen durch, die in einem etablierten Multiple-Sklerose-Modell Entmarkungen des Gehirns entwickeln. Insgesamt geht es in der Arbeit um die Frage, welche zellulären oder molekularen Strukturen Einfluss auf die zerebrale Biomechanik nehmen. Der Vergleich von bildgebenden Parametern und histologischer Auswertung ergab eine Bestätigung der Hypothese, dass die Methode MR-Elastographie im Tiermodell Parameter liefern kann, die in der Diagnostik und Verlaufsbeurteilung der Multiplen Sklerose helfen können, die Diskrepanz zwischen klinischem und radiologischem Erscheinungsbild dieser Erkrankung zu verringern. Die Methode ist noch experimentell, ihre mögliche klinische Relevanz muss jetzt erforscht und validiert werden. Dr. Schregel ist inzwischen Assistenzärztin am Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Universitäts-medizin Göttingen. Sie forscht derzeit - finanziert durch ein selbst eingeworbenes einjähriges Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft - an der Harvard Medical School in Boston. Sie setzt dort das mit der Dissertation begonnene Projekt mit einer Studie zur Früherkennung von Multiple Sklerose-Läsionen mittels MR-Elastographie fort.
Der Otto-Roth-Preis ist der Promotionspreis der Sektion Medizin der Universität zu Lübeck. Er wird seit 1979 vom Verein Alumni, Freunde und Förderer der Universität für eine wissenschaftlich herausragende Lübecker Doktorarbeit vergeben. Prof. Otto Roth (1863 - 1944) war der erste Fachchirurg in Lübeck. Von 1897 bis 1933 leitete er die Chirur-gische Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus der Hansestadt. Gemeinsam mit Heinrich Dräger (1847 - 1917) entwickelte er den weltbekannten Dräger-Roth-Narkoseapparat, der am Beginn der modernen Narkosetechnik steht.

Dr.-Ing. Dirk Fortmeier wurde für seine Dissertation „Direct Volume Rendering Methods for Needle Insertion Simulation“ mit dem Bernd-Fischer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Prof. Dr. rer. nat. Heinz Handels, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik der Universität zu Lübeck.
Dirk Fortmeier, 1986 in Braunschweig geboren, studierte dort Informatik (B.Sc.) und an-schließend Computer Games Programming (M.Sc.) an der Teesside University (Middlesbrough, UK). 2011 bis 2015 promovierte er an der Graduiertenschule und am Institut für Medizinische Informatik der Universität zu Lübeck. In seiner Dissertation, die außerdem an der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin in Lübeck betreut wurde, entwickelte er innovative Methoden für die visuo-haptische Planung und das Training von Punktionseingriffen in virtuellen Patientenkörpern. Dies umfasst die computergestützte 3D-Stereo-Darstellung der Patientenanatomie in Echtzeit - auf der Grundlage von räumlichen Bilddaten aus der Computertomografie – ebenso wie die Steuerung der Punktionsnadel und ihre Interaktion mit dem virtuellen Patientenkörper. Durch den Einsatz haptischer Geräte wird die Patientenanatomie für den Benutzer auch erfühlbar. Bei Einbringung der Punktionsnadel in den Körper spürt der Benutzer realistische Kräfte und Widerstände wie bei einer realen Punktion. Ein besonderes Highlight der Dissertation ist, dass es Dr. Fortmeier gelungen ist, Deformationen der Weichteile durch die Nadel sowie realistische Atembewegung des Patienten während der Punktion in Echtzeit haptisch und visuell zu simulieren. Er kombinierte dafür erfolgreich Methoden der medizinischen Bildverarbeitung und der Virtual-Reality-Simulation und entwickelte wichtige methodische Erweiterungen in diesem interdisziplinären Forschungsbereich. Aus der Arbeit ist ein einsatzfähiger Simulatorprototyp entstanden, welcher für verschiedene Punktionseingriffe verwendet werden kann und in ersten Studien bereits eingesetzt wurde. Dr. Fortmeiers Arbeiten werden in einem laufenden, von Prof. Handels geleiteten DFG-Forschungsprojekt fortgeführt. Er selbst ist seit Mai 2015 bei der Firma Robert Bosch Car Multimedia GmbH im Bereich Visualisierung und Mensch-Maschine-Interaktion tätig.
Der Bernd-Fischer-Preis ist der Promotionspreis der Sektionen Informatik/Technik und Naturwissenschaften der Universität zu Lübeck. Er wird unter diesem Namen 2016 erstmals vom Verein Alumni, Freunde und Förderer der Universität verliehen und erinnert damit künftig an den an der Universität außerordentlich engagierten und als Hochschullehrer beliebten, viel zu früh verstorbenen Mathematiker Prof. Dr. Bernd Fischer (1957 – 2013). Prof. Fischer hat den Bereich Informatik an der Universität von Anbeginn maßgeblich mit aufgebaut und leitete das Institute of Mathematics and Image Computing der Universität und die Fraunhofer-Projektgruppe Image Registration (MEVIS). Technisch-naturwissenschaftliche Dissertationen wurden in den Vorjahren mit dem Fakultätspreis der Universität ausgezeichnet.

Dr. Alvaro Mallagaray de Benito wurde für seine Arbeit „Attachment of Norovirus to Histo Blood Group Antigens: A Cooperative Multistep Process“ mit dem Universitätswissenschaftspreis ausgezeichnet. Die Arbeit wurde im vergangenen Jahr in der angesehenen Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht [Mallagaray et al. (2015) Angew. Chem. Int. Ed., 54, 12014-12019]. Die Laudatio hielt Prof. Dr. rer. nat. Norbert Tautz, Direktor des Instituts für Virologie und Zellbiologie der Universität zu Lübeck.
Dr. Mallagaray, 1978 in Vitoria in Spanien geboren, studierte Pharmazie und Chemie an der Universität CEU San Pablo in Madrid und erwarb dort 2012 den europäischen Doktortitel auf dem Gebiet der Medizinischen Chemie. Anfang 2013 kam Dr. Mallagaray mit einem renommierten Marie-Curie-Stipendium in das Institut für Chemie der Universität zu Lübeck. Dort widmet er sich der Frage, wie Noroviren molekulare Strukturen auf Wirtszelloberflächen erkennen. Bei diesen Strukturen handelt es sich um Zuckerstrukturen, die sogenannten Histoblutgruppenantigene, die für die Ausprägung der Blutgruppen verantwortlich sind. Ziel der Arbeiten ist es, den Mechanismus der molekularen Erkennung zu entschlüsseln. Es war bekannt, dass Noroviren bestimmte Bausteine in den Zuckerstrukturen zur Erkennung benötigen. Auch wenn einige strukturelle Details der Bindung bekannt waren, so war der Vorgang der Bindung der viralen Oberflächenproteine an diese Zuckerstrukturen jedoch weitestgehend im Dunkeln. Dr. Mallagaray konnte mit Hilfe der hochauflösenden Kernresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) zeigen, dass der Bindungsvorgang schrittweise erfolgt und dass mehr als die bisher angenommenen Bindungsstellen auf der Virusoberfläche mit den Zuckerstrukturen in Kontakt treten können. Er konnte weiterhin zeigen, dass es sich bei der Erkennungsreaktion um einen sogenannten kooperativen Prozess handelt. Auch wenn der biologische Sinn dieses komplexen Bindungsverhaltens noch nicht ersichtlich ist, kann vermutet werden, dass es im Lebenszyklus des Virus einen Vorteil bedeutet. Auf jeden Fall bieten die neuen Erkenntnisse nun eine Basis, auf der neuartige antivirale Therapeutika entwickelt werden können. Derzeit konzentriert sich Dr. Mallagaray im Rahmen einer durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschergruppe ViroCarb (FOR2327; Sprecher: Prof. Dr. Thilo Stehle, Tübingen; stellvertretender Sprecher: Prof. Dr. Thomas Peters, Lübeck) darauf die molekularen Mechanismen der Zuckererkennung im Detail zu entschlüsseln und neue antivirale Therapeutika zu entwickeln.
Der Universitätswissenschaftspreis wird seit 2004, initiiert von der Lübecker Mäzenatin und Trägerin der Universitätsmedaille Lisa Dräger, für eine hochrangige wissenschaftliche Publikation aus der Universität verliehen. Ebenso wie der Otto-Roth- und der Bernd-Fischer-Preis ist er mit 2.500 Euro dotiert.

Dr. rer. nat. Christiane Koch wurde für ihre Arbeiten zu neuro-hormonellen Mechanismen der Appetitregulation mit dem Renate-Maaß-Forschungspreis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Prof. Dr. rer. nat. Henrik Oster, Leiter der Forschungsgruppe Chronophysiologie an der Medizinischen Klinik I in Lübeck.
Christiane Koch, 1982 in Kassel geboren, studierte Biologie mit dem Hauptfach Tierphysiologie in Marburg und promovierte mit der Arbeit “Effect of leptin challenge on insulin sensitivity in C57Bl/6J mice on a high-fat diet”. Seit 2013 forscht sie an der Universität zu Lübeck in der Arbeitsgruppe von Prof. Oster. Dr. Koch beschäftigt sich mit der neuro-hormonellen Regulation von Appetit und Energiehaushalt in der Maus. Während ihrer Promotion untersuchte sie dabei primär die Regulation der zentralen metabo-regulatorischen Signalwege durch periphere Hormone wie Leptin, Insulin und Adiponectin sowie die Manipulation der assoziierten Signalwege durch Pflanzenstoffe. In Lübeck forscht sie an der Regulation appetitregulatorischer Zentren durch zirkadiane Uhren im Kontext der homöostatischen und hedonischen - nicht hungergetriebenen - Appetitregulation. Dazu hat sie eine Reihe von neuen Paradigmen zur Unterscheidung beider Aspekte der Nahrungsaufnahme im Tagesverlauf entwickelt. Ihre Ergebnisse zur Leptinresistenz zeigen deutlich, dass die zentrale Entzündungsreaktion ein Schlüsselereignis für die Folgeerkrankungen Adipositas, Diabetes und das metabolische Syndrom darstellt. Entsprechende Therapien sollten in Zukunft dort ansetzen. Viele der genannten metabolischen Hormone zeigen tagesrhythmische Veränderungen in ihrer Sekretion. Zudem dienen sie als potentielle Zeitgeber für molekulare Uhren in zentralen Regelkreisen der Appetiteregulation. Zusammen mit ihren Kollegen in Lübeck konnte Frau Koch einen solchen Signalweg anhand des Adipokins Adiponectin aufklären und dessen Wichtigkeit für die Tagesregulation der Nahrungsaufnahme nachweisen. Energiehaushalt und zirkadianes System sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Ein besseres Verständnis über die beteiligten Systeme bietet ganz neue Ansatzmöglichkeiten für die Therapie von energiemetabolischen Erkrankungen durch Stabilisierung der zirkadianen Rhythmik und gezielte Manipulation appetitregulatorischer Uhren. In den sich jetzt anschließenden Arbeiten analysiert Dr. Koch im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 134 „Mechanisms of Appetite Regulation“ über klassische und viral vermittelte genetische Manipulationen in der Maus die anatomische Organisation zirkadianer Rhythmen in homöostatischen und hedonischen Aspekten der Appetitregulation. Zudem untersucht sie mögliche Signalwege, über die diese Prozesse reguliert werden können.
Der mit 5.000 Euro dotierte Renate-Maaß-Forschungspreis wird seit 2010 jährlich von der Renate-Maaß-Stiftung (Sitz: Volksbank Lübeck) für herausragende medizinische Ergebnisse auf dem Gebiet der Hirnforschung an der Universität zu Lübeck vergeben.

Preisverleihungsfeier 2016 im Audienzsaal des Lübecker Rathauses