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Samstag, 21.09.2013

Forschung

David Marsden Award 2013 für Dr. Katja Lohmann

Preisträgerin Dr. Katja Lohmann (rechts) und die Präsidentin von Dystonia Europe, Monika Benson

Nachweis der genetischen Ursache für die neurologische Bewegungsstörung der Flüsterdystonie (Spasmodische Dysphonie)

Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Katja Lohmann ist mit dem David Marsden Award 2013 ausgezeichnet worden. Der renommierte Preis wird alle zwei Jahre vom Zusammenschluss der europäischen Dystonie-Selbsthilfegruppen „Dystonia Europe“ für herausragende neue Forschungsergebnisse zu den neurologischen Bewegungsstörungen vergeben.

Dr. Katja Lohmann forscht im Institut für Klinische und Molekulare Neurogenetik der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck. Sie erhielt die Auszeichnung als Erstautorin einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zu den genetischen Ursachen der auch als Flüsterdystonie oder Sprechkrampf bezeichneten Dystonieform der Spasmodischen Dysphonie.

Eine Dystonie ist eine Bewegungsstörung, die zu anhaltenden Muskelkontraktionen führt. Dadurch kommt es zu abnormen Haltungen, wie zum Beispiel einem Schiefhals oder einem Schreibkrampf. Es gibt mehrere genetische Formen der Dystonie, die mit DYT1 bis DYT25 nummeriert werden. Für einige dieser Formen ist das krankheitsverursachende Gen bereits bekannt, für andere nicht.

Für die Flüsterdystonie war weltweit nur eine einzige Familie beschrieben. Die Gründer der Familie sind Ende des 19. Jahrhunderts von England nach Australien ausgewandert. In Zusammenarbeit mit dem australischen Neurologen Dr. Robert Wilcox konnten klinische Informationen und Blutproben für genetische Untersuchungen von 19 Familienmitgliedern gesammelt werden.

Dr. Lohmann und ihre Arbeitsgruppe haben in Lübeck eine genomweite Kopplungsanalyse durchgeführt und zunächst das krankheitsverursachende Gen auf Chromosom 19 lokalisiert. Im nächsten Schritt führten sie mittels der Anwendung von next generation sequencing eine Sequenzierung des gesamten Genoms durch. Unter den insgesamt mehr als vier Millionen genetischen Varianten (Abweichungen vom Referenzgenom) konnte eine Mutation im beta-Tubulin-Gen 4 (TUBB4) als krankheitsverursachende Mutation identifiziert werden.

Die Gruppe wies nach, dass diese Mutation zu einer reduzierten Menge der aktiven Form des Gens (Transkript) führt. Durch eine Kooperation mit Kollegen in den Niederlanden (Dr. Marina Tijssen) konnte sie einen weiteren Dystonie-Patienten mit spasmodischer Dysphonie identifizieren, der ebenfalls eine Mutation im TUBB4-Gen trägt.

Damit steht fest, dass Mutationen im TUBB4-Gen eine Dystonie verursachen können. Tubuline sind Bestandteile des Zellskeletts und spielen bei Transportprozessen innerhalb der Zellen eine Rolle. Das legt die Annahme nahe, dass es sich hierbei um einen neuen Pathomechanismus bei den Dystonien handelt.

Das Projekt von Dr. Katja Lohmann ist eingebunden in das Schwerpunktprogramm „Medizinische Genetik“, welches zum Ziel hat, mittels next generation sequencing neue krankheitsverursachende Gene zu finden.
Es wurde nun mit funktionellen Untersuchungen am TUBB4-Protein begonnen. Dafür werden verschiedene molekularbiologische Methoden genutzt, um den Effekt der Mutationen auf die Proteinfunktion zu untersuchen. Neben Überexpressions- und knock-down-Experimenten konnten auch Fibroblastenzellkulturen von den beiden oben beschriebenen Mutationsträgern gesammelt werden.

Diese werden jetzt in induzierte pluripotente Stammzellen re-programmiert, aus denen Neurone differenziert werden. Damit können die Mutationen in ihrem „natürlichen“ Umfeld (endogenes Level) charakterisiert werden. Auch diese Untersuchungen sind in das Schwerpunktprogramm „Medizinische Genetik“ eingebunden (Folgeantrag, Teilprojekt B2). Ziel dieser Untersuchungen ist es, den Pathomechanismus besser verstehen zu können und im Idealfall neue Therapieansätze gewinnen zu können.

Der David Marsden Award wurde Dr. Katja Lohmann auf der 20. Konferenz der Dystonia Europe von deren Präsidentin, Monika Benson, am 6./7. September 2013 in Edinburgh, Schottland, überreicht. Der Preis ist nach Prof. David Marsden, einem der führenden europäischen Neurologen (1938 – 1998), benannt. Er wird seit 2003 vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert.