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Mittwoch, 28.09.2011

Personalie

Bundesverdienstkreuz für Lübecker Kinderdiabetologin

Dr. Simone von Sengbusch, Bundespräsident Christian Wulff (Foto: Bundesregierung / Hans-Christian Plambeck)

Dr. Simone von Sengbusch betreut seit Beginn das erfolgreiche Modellprojekt „Mobile Diabetesschulung Schleswig-Holstein“

Dr. Simone von Sengbusch aus der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Lübeck wurde mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Bundespräsident Christian Wulff verlieh ihr die Auszeichnung am 4. Oktober 2011 in Berlin. Damit wird das langjährige Engagement von Dr. von Sengbusch für die Versorgung diabeteserkrankter Kinder und Jugendlicher in Schleswig-Holstein geehrt.

Dr. von Sengbusch betreut seit Beginn (1999) das Modellprojekt „Mobile Diabetesschulung Schleswig-Holstein“ (MDSH), das zum Versorgungsangebot der Fachabteilung für Kinderhormonstörungen der Lübecker Klinik für Kinder- und Jugendmedizin gehört. Die MDSH führt zusammen mit den Teams der einzelnen Kinderkliniken jährlich 24 fünftägige Diabetesgruppenschulungen für Kinder, Teenager und Jugendliche sowie deren Eltern in acht verschiedenen Kinderkliniken des nördlichsten Bundeslandes durch.

Von Anfang an war und ist Dr. von Sengbusch für die medizinische Organisation, Betreuung und Durchführung der Schulungen verantwortlich. Vor allem ihrem Einsatz ist es zuzuschreiben, dass diese ungewöhnliche mobile Tätigkeit und Ausbildungsarbeit in den Kliniken so positiv aufgenommen und so kontinuierlich ausgebaut wurde. Dr. von Sengbusch ist Fachärztin für Kinderheilkunde und spezialisiert auf die Diagnostik und Therapie von Diabetes mellitus Typ 1 im Kindesalter. Zudem hat sie einen Masterabschluss in „Public Health“ und ist in zahlreichen Diabetesgremien aktiv.

Mit Sachkenntnis, Engagement und ausgeprägtem Verständnis für die Belange der Patienten begleitet sie seit Jahren Aktionen zur Aufklärung rund um Diabetes und organisiert Jugendfreizeiten und erlebnispädagogische Aktionen für betroffenen Jugendliche. Sie arbeit aktiv im Förderverein der MDSH mit, welcher nicht nur das mobile Team, sondern alle Kinderkliniken in Schleswig-Holstein mit modernen Diabetesschulungsmaterialien versorgt. Ein besonderes Anliegen ist ihr die Teilhabe diabeteserkrankter Kinder an allen Fortschritten der Medizin und die generelle Verbesserung der Versorgung chronisch erkrankter Kinder.

Die MDSH wurde in den 90er Jahren als Modellprojekt vom Diabetesarbeitskreis des Gesundheits- und Sozialministeriums in Kiel und von den leitenden Chefärzten der Kinderkliniken entwickelt, um die damals unzureichende Versorgung diabeteserkrankter Kinder in Schleswig-Holstein zu verbessern. Zum damaligen Zeitpunkt gab es praktisch nur in Lübeck ein Diabetesteam, welches eine spezialisierte und multidisziplinäre Betreuung der an Typ 1 Diabetes erkrankten Kinder und gleichzeitig eine große Erfahrung in der Behandlung mit modernen Insulintherapien anbieten konnte. Von den ca. 100 in Schleswig-Holstein jährlich neu an Typ 1 Diabetes erkrankten Kindern konnten nur wenige alle zwei bis drei Jahre ihr Krankheitswissen in Gruppenschulungen in Wohnortnähe auffrischen und von den modernen, neuen Therapieformen profitieren.

Die MDSH startete 1999, um diese Unterversorgung zu beheben und einen einheitlichen Behandlungsstandard zu erreichen. Die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin stellte aus ihrem Diabetesteam ein „mobiles Team“ zusammen. Eine Diabetesberaterin und eine Diabetologin, beide Personen qualifiziert nach den Richtlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), begannen damals mit Diabetesgruppenschulungen für Kinder in acht Kinderkliniken des Bundeslandes und bildeten gleichzeitig die Ärzte und das Pflegepersonal vor Ort aus.

„Im Vergleich zu 1999 sieht die Situation für diabeteserkrankte Kinder in Schleswig-Holstein heute besser aus“, sagt Dr. von Sengbusch. Kinder und Jugendliche mit Typ 1 Diabetes werden in allen Kinderkliniken des Bundeslandes auf dem gleichen medizinischen Standard behandelt und mit denselben Materialien geschult. Alle zwei bis drei Jahre können Kinder an einer Gruppenschulung zumeist in Wohnortnähe teilnehmen, die ihnen neben praktischer Erfahrung und alterspezifischen Krankheitswissen vor allem auch neuen Schwung und ein Stück mehr Motivation für die sehr disziplinfordernde Therapie mitgeben kann.

In einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde nachgewiesen, dass diese Schulungen nicht nur die Stoffwechsellage verbessern, sondern dass auch die Krankenhausaufenthalte, die durch Komplikationen im Therapieverlauf hervorgerufen werden, abnahmen. Die MDSH ist ein Modell der Regelversorgung geworden und ermöglicht es Kindern, in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein eine wohnortnahe und qualifizierte Versorgung ihrer komplexen Erkrankung zu erhalten - und das auch dann, wenn sie nicht in der Nähe eines der ganz großen Kinderdiabeteszentren wohnen.

„Die Herausforderung dieses Jahrzehnts sehe ich in der Finanzierung der spezialisierten Versorgung diabeteserkrankter und anderer chronisch erkrankter Kinder, deren Betreuung vor allem in Spezialambulanzen der Kinderkliniken stattfindet. Das ist vor allem Beratungsmedizin, und die benötigt Personal und kostet Zeit und Geld“, sagt Dr. von Sengbusch und ergänzt: „Das müssen uns unsere Kinder aber wert sein“.

Diabetes Typ 1 ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindesalter. In Schleswig-Holstein betrifft Typ 1 Diabetes ca. 900 Kinder und Jugendliche. Circa 100 – 120 Kinder erkranken jedes Jahr in Schleswig-Holstein neu an Diabetes Typ 1, zunehmend dabei Kinder vor Vollendung des fünften Lebensjahrs. In Deutschland sind ca. 25.000 Kinder an Typ 1 Diabetes erkrankt, jährliche Neuerkrankungen ca. 2.500 Kinder mit stetig steigender Tendenz über die letzten Jahrzehnte. Der Typ 1 Diabetes wird durch eine Zerstörung der insulinbildenden Zellen der Bauchspeicheldrüse ausgelöst, wobei die Zerstörung durch das Immunsystem erfolgt. Eine genetische Disposition, Virusinfektionen und Umweltfaktoren spielen bei der Auslösung des Immunprozesses eine Rolle, aber das genaue Zusammenspiel ist noch immer Gegenstand der Forschung.

Mit dem durch genetische Faktoren stark beeinflussten und durch Lebensstil und Übergewicht verursachten Typ 2 Diabetes, der 90 Prozent aller Diabeteserkrankungen ausmacht, hat diese Erkrankungsform nichts zu tun. Der Insulinmangel des Kindes mit Typ 1 Diabetes muss von Anfang an durch eine lebenslange Insulinsubstitution mit mehrfach täglichen Blutzuckerkontrollen und Insulingaben mit einer Insulinpumpe oder Insulinpens behandelt werden.

Mobile Diabetesschulung Schleswig-Holstein