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Mittwoch, 22.02.2017

Forschung

Alternativer Therapieansatz für Fettspeicherkrankheit

Autopsiematerial eines Kindes mit Gaucher-Erkrankung (Typ 2). Zu erkennen ist das Knochenmark mit drei Gaucher Zellen in der Mitte, die die typische "wrinkled tissue paper" (zerknülltes oder zerknittertes Taschentuch) Struktur aufweisen. In den Gaucher Zellen haben sich große Mengen von Glukosylceramid angesammelt. Die Zellen sind umgeben von weiteren Körperzellen (Lymphozyten, Monozyten und Erythrozyten; Foto: Gregory A. Grabowski)

Neuer Mechanismus für die Entwicklung von Morbus Gaucher entdeckt

Entdeckung von Entzündungsforschern aus Cincinnati und Lübeck könnte auch für die Entstehung anderer Fettspeicherkrankheiten von Bedeutung sein

Entzündungsforscher aus Cincinnati (USA) und Lübeck haben eine überraschende Stoffwechselwirkung des Komplementsystems aufgedeckt, die einen neuen therapeutischen Ansatz zur Behandlung der häufigsten Fettspeicherkrankheit Morbus Gaucher eröffnet. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Die Untersuchungen wurden auf der amerikanischen Seite von Dr. Manoj Pandey und Prof. Greg Grabowski und auf Lübecker Seite von Prof. Jörg Köhl vom Institut für Systemische Entzündungsforschung geleitet. Die Forschungsarbeiten sind assoziiert mit dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Internationalen Graduiertenkolleg 1911 “Immunoregulation of Inflammation in Allergy and Infection” (Sprecher Prof. Jörg Köhl) und dem Exzellenzcluster 306 „Inflammation at Interfaces“.

Morbus Gaucher ist eine seltene, erbliche Fettspeicherkrankheit. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Erkrankung ursächlich nur durch den genetisch bedingten Mangel des lysosomalen Enzyms ß-Glukozerebrosidase verursacht wird, das die Substanz Glukosylceramid in den Zuckerbestandteil Glukose und den Fettanteil Ceramid spaltet. Durch diesen Enzymmangel kommt es zur Anreicherung des nicht abgebauten Glukosylceramids in verschiedenen Immunzellen, vorzugsweise Makrophagen. Die geschwollenen Zellen, sogenannte Gaucher-Zellen, akkumulieren in Lunge, Milz, Leber und Knochenmark, setzen große Mengen an Entzündungsmediatoren frei und führen in der Folge zur Gaucher-Erkrankung.

In der nun in Nature publizierten Arbeit konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sowohl in Mäusen mit einem Defekt der ß-Glukozerebrosidase als auch in Patienten mit Morbus Gaucher Antikörper gebildet werden, die spezifisch mit dem aus den Immunzellen freigesetzten Glukosylceramid reagieren und Immunkomplexe bilden. Diese Immunkomplexe aktivieren das Komplementsystem und führen zur Freisetzung des Komplement-Spaltproduktes C5a. Wie die Forscher herausfanden, übt dieses C5a eine Schlüsselfunktion bei der Entwicklung des Morbus Gaucher aus. Es induziert das Enzym Ceramid-Glucosyltransferase, welches den Zusammenbau von Glukose und Ceramid zu Glukosylceramid katalysiert. Mäuse mit einem Defekt der ß-Glukozerebrosidase, bei denen der Rezeptor für C5a fehlt oder therapeutisch inhibiert wird, entwickeln trotz des Defektes der ß-Glukozerebrosidase keinen Morbus Gaucher.

Zurzeit wird die Gaucher Erkrankung durch Enzymersatz oder Substratreduktion therapiert, wodurch viele der klinischen Symptome reduziert werden. Leider zeigen eine Reihe von Patienten trotz Therapie entzündliche Veränderungen und ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung bösartiger Tumore und der Parkinson-Krankheit. Die jetzt in Nature vorgestellten Daten wecken die Hoffnung, dass die gezielte Komplement-Blockade nicht nur die Anreicherung von Glukosylceramid in Immunzellen verhindert, sondern auch die Entzündungskaskade unterbricht und damit das Risiko für die Bildung von Tumoren und Morbus Parkinson minimiert. Darüber hinaus könnte der neu entdeckte Mechanismus für die Entwicklung von Morbus Gaucher auch von Bedeutung bei anderen Fettspeicherkrankheiten sein.

Publikation:
Manoj. K. Pandey, Thomas A. Burrow, Reena Rani, Lisa J. Martin, Kenneth D. Setchell, Mary A. Mckay, Albert F. Magnusen, Wujuan Zhang, Benjamin Liou, Jörg Köhl*, Gregory A. Grabowski*. http://dx.doi.org/10.1038/nature21368Complement drives glucosylceramide accumulation and tissue inflammation in Gaucher Disease. Nature, published online first February 22, 2017, DOI:10.1038/nature21368
* geteilte Senior-Autorschaft

Abbildungslegende:
Modell zur Rolle der C5-C5aR1 Achse bei Morbus Gaucher. (1) Mutationen im GBA1 Gen führen zu einer defekten Funktion des Enzyms Glukozerebrosidase (GCase) und in der Folge zur Speicherung von Glukosylceramid (GC), vorzugsweise in Makrophagen. (2) Das kontinuierlich aus Makrophagen freigesetzte GC wird von B Lymphozyten aufgenommen, die T Lymphozyten aktivieren. Die B Lymphozyten differenzieren dann zu Plasmazellen, die in großen Mengen GC-spezifische Auto-Antiköper produzieren. (3) Diese Auto-Antikörper bilden mit GC Immunkomplexe, die das Komplementsystem aktivieren und letztendlich zur Generierung von C5a führen. (4) GC Immunkomplexe binden auch an IgG Fc Rezeptoren (FcγR) auf Makrophagen und führen auf diesem Wege zur lokalen C5 Produktion und -Spaltung zu C5a. Diese lokale C5a Produktion findet wahrscheinlich auch in zirkulierenden Monozyten statt. (5) Die Bindung von C5a an seinen C5a Rezeptor (C5aR1) verstärkt die Ansammlung von GC durch die verstärkte Expression des Enzyms Glucose Ceramid Glukosyltransferase (GCS). Dadurch wird ein "Circulus vitiosus" induziert, der die Autoimmunantwort befeuert. Dieser Circulus vitiosus wird unterbrochen durch die Blockade der C5a-C5aR1 Achse und führt zu einer massiven Reduktion der GC Speicherung und der Entzündungsreaktion. (6) Die Aktivierung der C5a-C5aR1 Achse in dendritischen Zellen verstärkt die Expression von kostimulatorischen Molekülen (CD80/86 und CD40) auf dendritischen Zellen, aktiviert T Zellen und induziert die Freisetzung von pro-inflammatorischen Molekülen (IFN-γ und IL-17A/F), was letztendlich zur Gewebezerstörung bei Morbus Gaucher führt. 

Autopsiematerial eines Kindes mit Gaucher-Erkrankung (Typ 2). Das elektronenmikroskopische Bild zeigt eine Gaucher Zelle mit massiver Speicherung von Glukosylceramid. (Foto: Gregory A. Grabowski)

Modell zur Rolle der C5-C5aR1 Achse bei Morbus Gaucher (ausführliche Bildlegende s. Text; aus Pandey et al. 2017)

Prof. Dr. Jörg Köhl (Foto/Copyright: Dr. Tebke Böschen / Universität Kiel)