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Studium Generale im Sommersemester 2009

"Das Böse" lautete das Thema des Lübecker Studium Generale im Sommersemester 2009. Die Vorträge schlossen den übergreifenden Themenzyklus "Was ist der Mensch? Natur - Kultur" ab, der im Wintersemester 2004/05 begann.

                                                            

Drom. Drom. Drom. (Shining)

Das Böse hat immer Konjunktur. George W. Bush rief zum Kampf gegen die "Achse des Bösen" auf, für andere ist gerade Amerika mit seiner Vormachtstellung und seine westliche Dekadenz der Inbegriff des Bösen. Indem gegnerische Positionen als "das Böse" tituliert werden, lassen sich politische Ereignisse wie Terroranschläge oder Kriege, aber auch Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen und Religionen "metaphysisch aufladen". Der Feind ist nicht einfach ein Gegner, sondern wird zum Bösen schlechthin. Angebrochen ist dann Armageddon, der endzeitliche Kampf des Guten gegen das Böse.

Was  aber genau ist das Böse? Wie sieht es aus? Und natürlich die Fragen: was kann ich dagegen tun? In diesem Semester soll versucht werden, der Idee, den Merkmalen und dem Wesen des Bösen auf die Spur zu kommen.

Das Böse ist der Teufel, der gegen Gott kämpft

In unserer Ideengeschichte gab es viele Versuche, das Böse theoretisch zu erfassen, von denen wir alle mehr oder weniger beeinflusst sind.

Das Böse kann etwas Externes sein, das von außen in die Welt kommt, also etwas Metaphysisches, Übernatürliches. Es befällt die Menschen wie eine Krankheit und  bringt sie in seine Gewalt bringt. Die gnostische Tradition teilt die Welt in diesen großen Dualismus auf: Das Gute und das Böse, Gott und der Teufel streiten um die Macht - die Menschen sind in diesem Wettstreit nur Spielbälle, sie bringen das Böse nicht selbst hervor. Das Böse ist hier etwas Absolutes, das unabhängig von der menschlichen Perspektive existiert.

Als ein Beispiel sei die gesamte Horrorliteratur genannt, in der das Böse oft als eine vom Menschen unabhängige Einheit existiert. Das Böse, verkörpert durch Vampire, riesige Taranteln oder Lord Valdemort, ist etwas Reales. Manchmal ist diese Kraft so mächtig wie die Dämonen in "Das Omen", "Rosemaries Baby" und "Der Exorzist", das Böse verzehrt den Menschen buchstäblich und raubt  ihren Verstand, ihr Herz und ihre Seele. Diese übernatürliche Kraft des Bösen entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Sie ist ein Mythos, denn innerhalb der Parameter von Naturgesetzen und Wissenschaft existiert das Böse als übernatürliche Kraft oder Wesenheit nicht.

Das Böse als Folge der Freiheit

In der Tradition der Aufklärung entstand eine Gegenthese: Das Böse galt fortan an das Wesen des Menschen gebunden. Als etwas, das zum Menschen gehört, kann es  daher auch nicht ausgerottet werden, das Böse wird somit "eine unmittelbare und unausweichliche Folge der Freiheit", einer Autonomie. Freiheit bedeutet, alles tun zu können, was man will, das Böse eingeschlossen.

Die Entstehung des Bösen lässt sich in der Paradiesgeschichte verorten. Der Sündenfall kann als eine Parabel gelesen werden, die erklärt, wie das Böse in die Welt kam. Adam und Eva bekamen die Freiheit der Entscheidung, ob sie die verbotenen Früchte essen oder nicht, der Ausgang ist bekannt. Das Böse wird hier als "Preis der Freiheit" interpretiert: Gott muss das Böse zulassen, weil er den Menschen die Freiheit gegeben hat.

Wenn das Böse jedoch nicht mehr als etwas Übernatürliches, sondern nur als Folge eines breiten Spektrums menschlicher Verhaltensmuster - absichtlich oder unabsichtlich - betrachtet wird, lässt es sich dann wissenschaftlich untersuchen: Etwa das Phänomen Eichmann, die Serienkiller, die Gewalt Jugendlicher? Ist das Böse im Gehirn nur die Abwesenheit von Emotionen bei ungestilltem Reizhunger oder versteckt es sich in den Genen, wird ein "Kriminalitätsgen" sogar vererbt? Gilt es seinen biologischen Kern zu entdecken, letztlich das Substrat des Bösen? Lässt sich das Böse bald schon so erklären?

Doch wenn das Böse weder als eine metaphysische Größe, die über mich hereinbricht, noch als reiner "Systemfehler der Freiheit" angesehen werden kann, was ist es dann? Eine Antwort lautet: Das Böse ist Missbrauch der Freiheit ebenso wie das Fehlen der Freiheit.

Detlef Kömpf

Das Böse (Grafik: Hanne Kühner)

23.4.2009: Über das Böse - eine weiblich-theologische Sicht (Dr. Antje Schrupp, Frankfurt am Main)

28.5.2009: Neurobiologie des Bösen (Prof. Gerhard Roth, Bremen)

25.6.2009: Die Gesellschaft und das Böse - Dämonisierung des Bösen? (Prof. Christian Pfeiffer, Hannover)

16.7.2009: Das Böse in der Literatur - Von Poe und Melville über Dostojewski zu King und Litell (Prof. Horst-Jürgen Gerigk, Heidelberg)

Die Vorträge sind öffentlich. Sie finden während der Vorlesungszeiten einmal im Monat donnerstags, 19.15 Uhr, im Großen Hörsaal des Zentralklinikums (Z 1/2) statt. Die aktuellen Programme des Studium Generale werden durch die Informations- und Pressestelle der Universität auf Wunsch regelmäßig zugesandt.

Die Leitung des Lübecker Studium Generale liegt bei Professor Dr. Detlef Kömpf, Universität zu Lübeck.

Das Böse