Wie Sonne, Mond und Geschlecht das circadiane System formen - Antrittsvorlesung von Dr. Violetta Pilorz am 16. Dezember (17 Uhr c.t., Hörsaal AM 4)
Vor etwa 3,5 Milliarden Jahren kollidierte ein marsgroßer Himmelskörper mit der jungen Erde, kippte deren Achse, formte den Mond und verlangsamte die Rotation – die Basis für den 24-Stunden-Tag. Frühes Leben im Ozean folgte zunächst Gezeiten- und Mondrhythmen, doch mit der Landbesiedlung wurde der Hell-Dunkel-Wechsel zum dominanten Zeitgeber. Viele Arten, von Küstenorganismen bis zu Insekten, nutzen heute parallel mehrere Uhren: circadiane, Gezeiten- oder Monduhren.
Bei Säugetieren hingegen steuert ein zentraler Taktgeber im suprachiasmatischen Nucleus (SCN) die Anpassung an den Hell-Dunkel-Wechsel. Molekulare Rückkopplungsschleifen erzeugen die nahezu 24-stündigen Rhythmen, die sich mithilfe von PER2-Reportermäusen sichtbar machen lassen. Eingriffe in Schlüsselkomponenten wie Caseinkinasen (CK) 1δ/ε zeigen, wie fein dieses System reguliert ist: So führt der Verlust von CK1ε zu ungewöhnlich schnellen Phasenverschiebungen. Zudem beeinflusst Licht das Verhalten wellenlängenabhängig, und der Stoffwechselzustand kann bei nachtaktiven Tieren die Lichtantwort sogar überlagern, sodass diese tagaktiv werden.
Da die circadiane Forschung überwiegend an männlichen Tieren erfolgte, bleibt die weibliche Uhr wenig verstanden. Meine Daten zeigen: Per1/Per2-Mutationen beschleunigen die reproduktive Alterung, verbunden mit erhöhtem Kortikosteroid-Metaboliten und häufigeren Schwangerschaftsverlusten. Östrogen stabilisiert die SCN-Rhythmik über Gap-Junctions, Progesteron moduliert die molekulare Uhr konzentrations- und zeitabhängig. Diese Erkenntnisse verdeutlichen, wie die Physiologie durch zeitliche Organisation geprägt wird – angefangen mit kosmischen Kollisionen bis hin zu hormonellen Signalen – und warum ein vertieftes Verständnis der circadianen Uhr, insbesondere ihrer hormonellen Regulation bei Frauen, für Medizin und Therapie entscheidend ist.
für die Ukraine