Die automatisierte Analyse könnte helfen, großflächig Daten zu sammeln, um individuellere Behandlungsstrategien zu entwickeln und präzisere Diagnosen zu stellen
In Kooperation zwischen dem Institut für Medizintechnik und dem Institut für Kardiogenetik der Universität zu Lübeck sowie der Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE wurde eine innovative KI-gestützte Methode zur Analyse von atherosklerotischen Plaques in Mäusen entwickelt. Diese kann die Effizienz in der medizinischen Forschung erheblich verbessern.
Die KI-basierte Arteriensegmentierung und Plaque-Quantifizierung in Mäusemodellen ist Gegenstand einer neuen Veröffentlichung, die am 23. April 2025 in der renommierten Fachzeitschrift „Scientific Reports“ erschienen ist. In dieser Studie wurde ein mehrstufiges Verfahren beschrieben, mit dem sich Oil-Red-O-gefärbte histologische Schnittbilder der Aortenwurzel automatisiert analysieren lassen. Atherosklerotische Plaques sind dabei lipidreiche Ablagerung in den Arterien, deren Wachstum und Zusammensetzung für die kardiovaskuläre Forschung von besonderem Interesse ist. Durch die Vielzahl an möglichen Folgeerkrankungen ist Atherosklerose die Haupttodesursache in Industrienationen. Eine große Herausforderung in der Erforschung von Therapiemaßnahmen ist die große Menge an Bilddaten, die aktuell vorwiegend händisch ausgewertet wird. Dank der KI-gestützten Verfahren können diese Prozesse nun objektiver und schneller als bisher durchgeführt werden, ohne die zeitraubende manuelle Segmentierung durchführen zu müssen.
Das seit 2022 am Fraunhofer IMTE entwickelte Konzept kombiniert mehrere Ansätze des maschinellen Lernens (siehe Abbildung 1). Als Erstes wird eine Interessensregion der Arterienstruktur bestimmt, was es ermöglicht die feinen Details der Gefäße in möglichst hoher Auflösung zu verarbeiten. Anschließend werden sogenannte Ensembles verwendet, die unterschiedliche lokale Optima kombinieren, wodurch Fehlsegmentationen reduziert werden. Zur Bestimmung der Ablagerungen in den Arterien wird zuletzt eine unüberwachte Methode verwendet, die diese pathologischen Veränderungen aufgrund der charakteristischen Farbmuster erkennt. Durch ein spezielles Verfahren zum Transfer von Farbräumen lassen sich zudem Unterschiede in der Färbung und Bildaufnahme minimieren. Diese Pipeline nutzt somit sowohl überwachte als auch unüberwachte KI-Verfahren, um eine möglichst vollständige und robuste Erfassung zu gewährleisten. Die Methode zeichnet sich vor allem durch ihre schnelle Anwendbarkeit auf sehr große Datensätze aus und erleichtert damit Laborabläufe erheblich.
Ausgründung soll die Technologie auch für andere Forschungsteams verfügbar machen
Besonders nennenswert ist hierbei die durchgeführte Fallstudie, die die händische und automatisierte Analyse ausgiebig vergleicht. So konnte eine enge Korrelation (Pearsons r = 0,91) zwischen den KI-Prognosen und den menschlichen Expertenergebnissen nachgewiesen werden. Diese Erkenntnisse waren auch in einer genauen Aufschlüsselung der untersuchten Konditionen, wie der Fütterung, dem Geschlecht der Mäuse und einem genetischen Modifikator sichtbar (siehe Abbildung 2). Die KI-basierte Methodik kann die händisch durchgeführte Analyse erfolgreich reproduzieren und liefert dieselben relevanten Kernaussagen. Damit eröffnet sich eine deutlich einfachere und schnellere Möglichkeit, umfangreiche Studien an Mausmodellen durchzuführen und detaillierte Erkenntnisse über die Dynamik der Plaquebildung zu gewinnen.
Mit Blick auf künftige Anwendungen ergeben sich neue Perspektiven nicht nur für die präklinische Forschung, sondern auch für das bessere Verständnis von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beim Menschen. Die automatisierte Analyse könnte helfen, großflächig Daten zu sammeln, um individuellere Behandlungsstrategien zu entwickeln und präzisere Diagnosen zu stellen. In der Perspektive einer klinischen Anwendung eröffnen sich damit zahlreiche Chancen, das Fortschreiten der Atherosklerose besser zu verstehen und auf lange Sicht neue therapeutische Ansätze zu schaffen.
Mitautoren der Veröffentlichung bereiten sich mit ihrem neuartigen Verfahren auf eine Ausgründung vor, um die Technologie auch für andere Forschungsteams verfügbar zu machen: ASAP Research Automation auf LinkedIn (https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7322656310229938176/?actorCompanyId=106937627)
Mit ihrem innovativen Verfahren wurde das Team (hier abgebildet von links nach rechts: Johann Christopher Engster, Nele Blum, Tobias Reinberger und Maik Stille) bereits auf dem 13. DZHK Retreat NORTH mit dem Young Investigator Award ausgezeichnet. - Unter dem Foto Abbildung 2: Die Auswertung einer Fallstudie mit der KI-basierten Segmentierungspipeline (a) und mit händisch ausgewerteten Referenzdaten (b). In der Studie wurden die Effekte von Fütterung (Chow = Kontrolldiät, WTD = Westliche fetthaltige Diät), Geschlecht und einem genetischen Knock-Out untersucht. Beide Auswertungen zeigen dieselben Trends und statistische Signifikanz zwischen dem Plaque-Gehalt der männlichen, aber nicht der weiblichen Mäuse. Die Ergebnisse der händischen Analyse sind somit durch den KI-Ansatz reproduzierbar.
Abbildung 1: (a) Die Arterien- und Plaque-Segmentierung kombiniert überwachtes und unüberwachtes Lernen, um Ablagerungen in Arterien automatisch zu erkennen. Zunächst wird die Arterienregion in den histologischen Schnittbilder mit einem überwachten Verfahren bestimmt. Anschließend wird der zugeschnittene Arterienbereich vom einem unüberwachten Verfahren analysiert. Nach einer abschließenden Nachbearbeitung können Arterien und Plaquebereiche für eine statistische Auswertung verwendet werden.
für die Ukraine