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Dienstag, 03.05.2022

Forschung

Neuer Verbund zu Erblichkeit bei Herzinfarkt

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Identifizierung von seltenen genetischen Varianten in betroffenen Familien - Langzeitkohorte über Jahrzehnte

Atherosklerose und die daraus resultierenden Folgeerkrankungen Koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt sind weltweit die häufigsten Todesursachen. Die Ursache der Erblichkeit dieser Erkrankungen konnte trotz intensiver Forschung bislang nicht vollständig erklärt werden. Unter Leitung von Prof. Dr. Jeanette Erdmann aus dem Institut für Kardiogenetik und Beteiligung von Prof. Dr. Inke König aus dem Institut für Medizinische Biometrie und Statistik der Universität zu Lübeck startet ein mit 750.000 Euro gefördertes Verbundprojekt zur Identifizierung von seltenen genetischen Varianten in Herzinfarktfamilien mittels Hochdurchsatz-Sequenzierung, das im Rahmen einer Förderinitiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt wurde.

Atherosklerose ist eine progressive Krankheit, die schon früh im Leben beginnt. Genetische Varianten und Risikofaktoren (z. B. ein hoher Cholesterinspiegel, Rauchen, Bewegungsmangel, Bluthochdruck und Diabetes) beeinflussen die Entstehung und das Fortschreiten der Erkrankung im Laufe des Lebens. Die entscheidende Rolle genetischer Risikofaktoren wurde durch die Häufung der Erkrankung in Familien und Zwillingsstudien nachgewiesen.

Innovativer Forschungsansatz

In den letzten 15 Jahren wurden – auch durch die Antragsstellerinnen -  in genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) Hunderte von häufigen genetischen Varianten identifiziert, die sich auf das Herzinfarktrisiko auswirken. Trotzdem konnte bislang die Erblichkeit des Herzinfarktes nicht vollständig erklärt werden.

Mit dem von der DFG geförderten Projektes „Nutzung familienbasierter Assoziationsdaten zur weiteren Erklärung der fehlenden Erblichkeit von koronarer Herzkrankheit und Myokardinfarkt“ wollen Prof. Erdmann und Prof. König gemeinsam mit den Kollegen Prof. Dr. Heribert Schunkert vom Deutschen Herzzentrum und Prof. Dr. Bertram Müller-Myhsok vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPIP) in München in einem innovativen Ansatz weitere, seltene Risikovarianten bzw. Risikogene finden, um die genetische Architektur der KHK/MI zu vervollständigen und neue Zielmoleküle für die Entwicklung von Arzneimitteln zu identifizieren.

Reduzierte Probandenzahl

Angesichts der Vielfalt, der von den KHK-Risikogenen beeinflussten Mechanismen, erforderte die Identifikation von seltenen Varianten bislang die Analyse von Zehntausenden von Patienten und Kontrollen, um statistisch schlüssige Ergebnisse zu erhalten. Prof. Erdmann und ihre Kolleg*innen schlagen nun vor, dass die Hochdurchsatz-Sequenzierung einer einzigartigen Stichprobe von Patient*innen mit einer besonders hohen Belastung durch KHK/MI dazu beitragen wird, neue seltene Risikovarianten und Gene zu identifizieren, die den jüngsten GWAS- und Sequenzierungsprojekten entgangen sind. Aufgrund der Anreicherung der genetischen Belastung durch KHK/MI bei diesen Patient*innen, die sich aus der positiven Familienanamnese ergibt, gehen Erdmann und Kolleg*innen davon aus, dass seltene pathogene Risikovarianten identifiziert werden können, die ein mittleres bis hohes Risiko mit sich bringen. Durch die Anreicherung des genetischen Risikos, sprich genetischer Risikovarianten, in diesen Patient*innen kann die Anzahl der zu sequenzierenden Probanden von über 10.000 auf knapp 1.600 deutlich reduziert werden.

Diese zu sequenzierenden Probanden wurden bereits vor 20 Jahren im Rahmen der Deutschen Herzinfarktfamilienstudie von Prof. Schunkert und Prof. Erdmann in Regensburg gesammelt und klinisch über zehn Jahre nachverfolgt. Zudem wird in diesem Projekt auf die Sequenzierdaten von gesunden Probanden zurückgegriffen, die finanziert durch das Deutsche Zentrum für Herzkreislauferkrankungen (DZHK) als „DZHK Resource“ durch die Antragssteller in den vergangenen Jahren erarbeitet wurden. Auch dadurch kann das Projekt kostensparend durchgeführt werden. Langfristig werden die Arbeitsgruppen von Prof. Erdmann und Prof. Schunkert experimentell die Funktionen der vielversprechendsten Risikogene testen, um neue Zielmoleküle für die Therapie zu identifizieren.

Prof. Dr. Jeanette Erdmann (links; Foto: Universität zu Lübeck) und Prof. Dr. Inke König (Foto: Christoph Westenberger / Universität zu Lübeck)