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Sonntag, 18.01.2015

Lehre

Ist Schlaf wirklich die beste Medizin?

Schichtdienst im Immunsystem - Antrittsvorlesung von Dr. med. Tanja Lange am 10. Februar (18 Uhr, Hörsaal T1, Transistorium)

Die Abwehrfunktion unseres Körpers beruht auf dem Zusammenspiel des angeborenen und des erworbenen, adaptiven Immunsystems. Zellen des angeborenen Immunsystems können gängige Muster von Krankheitserregern direkt erkennen und entsprechende Abwehrmechanismen einleiten. Versagen diese, wird das adaptive Immunsystem aktiviert, das sich aus T-Helferzellen, zytotoxischen T-Lymphozyten und antikörperproduzierenden B-Lymphozyten zusammensetzt. Diese Immunzellen reagieren spezifisch auf den jeweiligen Krankheitserreger und können ihn als Effektorzellen gezielt bekämpfen. T- und B-Lymphozyten, die die Infektion überleben, bilden dann schließlich das immunologische Gedächtnis, das bei erneutem Erregerkontakt eine schnellere und effizientere Immunabwehr ermöglicht.

Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, dass eine Immunaktivierung im Rahmen einer Infektion müde macht. Aber ist es wirklich sinnvoll dem Schlafbedürfnis nach zu kommen und hilft der Schlaf dem Immunsystem bei der Abwehr von Krankheitserregern?

Unsere Untersuchungen an gesunden Probanden zeigen, dass sich Zahl und Funktion der verschiedenen Zellen des angeborenen und adaptiven Immunsystems im Tagesverlauf tatsächlich ändern. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass im Schlaf die Initiierung einer adaptiven Immunantwort gefördert wird. Dabei scheint insbesondere der Tiefschlaf von Bedeutung zu sein, der die Ausschüttung mehrerer immunstimulierender Hormone bedingt und so die Aktivierung der Lymphozyten erleichtert. Entsprechend konnten wir in Impfexperimenten darlegen, dass die T-Helferzell- und B-Zellantwort bei Probanden, die in der Nacht nach der Impfung schlafen durften, besser ausfällt als bei Probanden, die in dieser Nacht wach bleiben mussten. Schlaf verstärkt also die immunologische Gedächtnisbildung.

Am Tag hingegen führt die Aktivierung der Stressachsen mit einer Ausschüttung immunsuppressiver Hormone eher zu einer Unterdrückung der adaptiven Immunantwort. Gleichzeitig scheint aber eine erste Verteidigungslinie von Immunzellen mobilisiert zu werden, die sich aus Zellen des angeborenen Immunsystems und aus zytotoxischen Effektor T-Lymphozyten zusammensetzt, und die eine sehr schnelle Beseitigung von Krankheitserregern sicher stellt.

Die Antrittsvorlesung fasst diese Erkenntnisse aus sieben Originalarbeiten zusammen und veranschaulicht so vor dem Hintergrund der aktuellen Literatur die Hypothese, dass das Immunsystem in Schichten arbeitet: Im Schlaf wird die immunologische Gedächtnisbildung gefördert, während der Tag der unmittelbaren Abwehr von Krankheitserregern dient.

(Habilitation im Fachgebiet Innere Medizin)

Mehr: Antritts- und Abschiedsvorlesungen

Dr. med. Tanja Lange