Interdisziplinäres Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Katja Stahl vom Institut für Gesundheitswissenschaften
Die Entwicklung der Leitlinie erfolgt unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Ziel ist es, evidenzbasierte Standards für die Betreuung von Schwangeren in Deutschland zu schaffen. Gefördert wird die Entwicklung einer S3-Leitlinie zur Schwangerenvorsorge bei gesunden Schwangeren durch den Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA, Förderkennzeichen 01VSF24012).
Die Begleitung von Schwangeren ist ein zentrales Anliegen der Gesundheitsversorgung. Programme zur Schwangerenvorsorge leisten einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der mütterlichen und perinatalen Morbidität und Mortalität. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund fordert das 9. Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ die Entwicklung von evidenzbasierten Grundlagen zu Information, Beratung und Versorgung sowie deren einheitlichen Einsatz in der Praxis.
In Deutschland wird der Inhalt der Schwangerenvorsorge maßgeblich durch die Mutterschaftsrichtlinien bestimmt. Mit der Förderung der Entwicklung einer S3-Leitlinie zur Schwangerenvorsorge bei gesunden Schwangeren durch den Innovationsausschuss des G-BA wird nun eine noch stärkere Transparenz und Nachvollziehbarkeit der angebotenen Untersuchungen, durch die Verknüpfung mit der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz, geschaffen.
S3 ist die höchste Qualitätsstufe in der Leitlinienentwicklung
Medizinische Leitlinien (guidelines) sind systematisch entwickelte Aussagen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung von Ärzten, anderen im Gesundheitssystem tätigen Personen und Patienten. Durch Leitlinien soll die Transparenz medizinischer Entscheidungen gefördert werden. Leitlinien entbinden den Arzt nicht von der Überprüfung der individuellen Anwendbarkeit im konkreten Fall, sie dienen lediglich als Entscheidungshilfen und sind rechtlich nicht verbindlich. Dies unterscheidet sie von Richtlinien.
Nach dem System der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften werden Leitlinien in vier Entwicklungsstufen von S1 bis S3 entwickelt und klassifiziert, wobei S3 die höchste Qualitätsstufe der Entwicklungsmethodik ist. S1: Die Leitlinie wurde von einer Expertengruppe im informellen Konsens erarbeitet. S2k: Eine formale Konsensfindung hat stattgefunden. S2e: Eine systematische Evidenz-Recherche hat stattgefunden. S3: Die Leitlinie hat alle Elemente einer systematischen Entwicklung durchlaufen (Logik-, Entscheidungs- und Outcome-Analyse, Bewertung der klinischen Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung).
Die erstmalige Verfügbarkeit einer S3-Leitlinie zur Schwangerenvorsorge hat das Potenzial, Über-, Unter- sowie Fehlversorgung zu minimieren und so eine effektive und effiziente Versorgung zu unterstützen. Darüber hinaus wird dadurch eine personenzentrierte Betreuung gewährleistet, deren Fokus über die Prävention von Morbidität und Mortalität hinausgeht. Mit einer gleichzeitigen, umfassenden Elternversion der Leitlinie wird ein wichtiger Baustein für die Selbstbestimmung der Schwangeren und ihrer Familien geschaffen.
Interprofessionelle Zusammenarbeit noch besser gewährleisten
„Eine interdisziplinär und unter Beteiligung der Nutzer*innen erstellte Leitlinie kann den Versorgungsbedarf der Schwangeren zielgerichteter adressieren und die interprofessionelle Zusammenarbeit von Ärztinnen, Ärzten und Hebammen noch besser gewährleisten. Wir freuen uns sehr über die Förderung durch den Innovationsfonds, da sie nicht zuletzt zeigt, dass das Potenzial einer solchen Leitlinie auch vom G-BA gesehen wird“, erklärt Prof. Dr. Katja Stahl vom Fachbereich Hebammenwissenschaft am Institut für Gesundheitswissenschaften der Universität zu Lübeck, die das Konsortialprojekt leitet.
Für Prof. Dr. Rainhild Schäfers, die von der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft mit der Koordination der Leitlinie beauftragt ist, bietet die Leitlinie durch die Vorgaben im methodischen Vorgehen eine sinnvolle Ergänzung zur bestehenden Mutterschaftsrichtlinie. „In der Leitlinie werden Empfehlungen in abgestuften Empfehlungsgraden, abhängig von der verfügbaren Evidenz, formuliert. Darüber hinaus wird die zugrunde liegende Evidenz in dem begleitenden Leitlinienreport standardisiert dargestellt und bietet so eine wichtige Orientierungshilfe für alle in die Betreuung von Schwangeren involvierten Personen“, so Schäfers.
Der Großteil der Evidenzrecherche wird von dem von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften anerkannten, unabhängigen Institut für Forschung in der Operativen Medizin, Universität Witten/Herdecke, durchgeführt. „Als Leitlinienmethodiker*innen gewährleisten wir, dass eine nach dem aktuellen Regelwerk der AWMF entwickelten Leitlinie vorliegt, die alle an der Versorgung Beteiligten adressiert und ihnen eine Orientierungshilfe nach den aktuell üblichen wissenschaftlichen Standards bietet. Wir freuen uns, mit dieser hochwertigen S3-Leitlinie auch im internationalen Vergleich aufschließen zu können“, so die Leitlinienmethodikerin Dr. Barbara Prediger.
Die Fertigstellung der Leitlinie ist für März 2027 vorgesehen.
für die Ukraine