Website
Aktuelles
Dienstag, 13.04.2021

Forschung

Technologievertrauen und Technologieverständnis vermitteln

Der Ausbau des 5G-Mobilfunks in Deutschland wird mit einem Innovationswettbewerb des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vorangetrieben

Mit der Professur für Ingenieurpsychologie und Kognitive Ergonomie am Institut für Multimediale und Interaktive Systeme ist die Universität zu Lübeck am Projekt "5G-TELK-NF" beteiligt. Marthe Gruner, M.Sc., ist für das Projekt Anfang März von Dresden nach Lübeck gekommen. Für den Newsletter haben wir uns mit ihr über ihre Aufgaben bei dem 5G-Vorhaben, über ihre Interessenschwerpunkte, die Bedeutung der Ingenieurpsychologie und über den Schritt von Dresden an die Trave unterhalten.

Frau Gruner, Sie sind im Rahmen der Lübecker Arbeitsgruppe Ingenieurpsychologie und Kognitive Ergonomie an dem Modellvorhaben "5G-TELK-NF" beteiligt. Worum geht es dabei?

Das Projekt trägt dazu bei, Schleswig-Holstein zu einem der spannendsten Standorte für die Erprobung von 5G-Technologien im Kontext Mobilität zu machen. In einem Zeitraum von drei Jahren werden 3,9 Millionen Euro Fördermittel vom Bundesministerium bereitgestellt. Vier Gemeinden Nordfrieslands (Tinningstedt, Enge-Sande, Leck und Klixbüll), vier Forschungseinrichtungen, neun Unternehmen und eine Behörde bilden das interdisziplinäre Projektkonsortium. An zwei Standorten in den Gemeinden, darunter ein ehemaliger Militärflugplatz bei Leck, erfolgt der Aufbau eines 5G-Campusnetzes, um Anwendungen im Bereich des autonomen und vernetzten Fahrens (z.B. in Autobahnszenarien) und des unbemannten Flugverkehrs (z.B. für die frühzeitige Branderkennung) umfänglich testen zu können. 

Die Professur Ingenieurpsychologie und Kognitive Ergonomie der Universität zu Lübeck mit Prof. Dr. Thomas Franke wird im Rahmen des Projekt untersuchen, wie Vertrauen (bzw. Misstrauen) in abstrakte und wenig erfahrbare Technologie, unabhängig von bzw. vor konkreten Nutzungserfahrungen, entsteht. Weiterhin interessiert uns, wie wir Menschen beim Aufbau eines akkuraten Verständnisses von z.B. persönlich relevanten Aspekten bzw. Begleiterscheinungen solcher Technologien (z.B. Risiken) unterstützen können. Hierfür setzen wir uns intensiv mit den Informations- und Kommunikationsbedarfen der beteiligten Akteure (Bevölkerung, Technologie-Entwickler und -Anwender) auseinander. Im Sinne der nutzerzentrierten Technologie-Kommunikation sollen im Projekt Ansätze gefunden werden, wie ein angemessenes Technologievertrauen und ein akkurates Technologieverständnis optimal vermittelt werden können.

Sie sind zum 1. März nach Lübeck gekommen. Was hat Sie von Dresden an die Trave geführt?

Schon 2019 bin ich, während meines Masterstudiums an der TU Dresden, auf eine Stellenausschreibung von Prof. Franke aufmerksam geworden. Daraufhin habe ich mich näher mit den Forschungsprojekten der Lübecker Arbeitsgruppe auseinandergesetzt. Ich hatte zusätzlich auch schon immer Interesse daran, Richtung Norden und näher ans Meer zu ziehen. Nach meinem Studium habe ich mich dann gezielt und initiativ an der Professur beworben. Nun freue ich mich sehr, mit meinem Wissen und meinem fachspezifischen Interesse die Arbeitsgruppe unterstützen zu können.

Welches war Ihr bisheriger Ausbildungs- und Berufsweg?

Geboren und aufgewachsen bin ich in Berlin. 2012 bin ich dann zum Studium nach Dresden gezogen. Dort habe ich sowohl mein Bachelor- als auch mein Masterstudium abgeschlossen. Während des gesamten Studiums habe ich parallel als studentische Hilfskraft an verschiedenen Professuren der Psychologischen Fakultät gearbeitet. Zum Schluss arbeitete ich lange Zeit am Lehrstuhl Ingenieurpsychologie und angewandte Kognitionswissenschaften und am Fraunhofer-Institut für Verarbeitungs- und Verpackungstechnik. 2020 habe ich dann erfolgreich das Masterstudium mit dem Schwerpunkt “Human Performance In Socio-Technical Systems” abgeschlossen und bin nun wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Ingenieurpsychologie und Kognitive Ergonomie in Lübeck. Zusätzlich habe ich das Ziel, in den nächsten Jahren hier in der Arbeitsgruppe zu promovieren.

Wie sind Sie zu Ihrem Fachgebiet der Ingenieurpsychologie gekommen? Gab es besondere Erlebnisse und Erfahrungen, die Ihr Interesse geweckt haben?

Grundsätzlich waren an der TU Dresden die Module Verkehrspsychologie und Ingenieurpsychologie schon während des Bachelorstudiums feste Bestandteile des Curriculums. So kam ich schon frühzeitig mit den Forschungsbereichen in Berührung.

Prägend war jedoch letztendlich die Zeit im Masterstudium. Durch meine Arbeit in einem BMBF-geförderten Projekt bot sich die Möglichkeit der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema der Automatisierung und Digitalisierung in der Industrie und interdisziplinärer Arbeit, vor allem mit Ingenieuren und Informatikern). Zukünftige Nutzer von Technologie als zentraler Entität in den Gestaltungsprozess einzubeziehen, fand ich so interessant und wichtig, dass schnell klar war, dass ich mich auch nach dem Studium mit Themen im Kontext Digitalisierung beschäftigen möchte.

Im Lübecker Beitrag zu dem 5G-Projekt geht es um Technologieakzeptanz und digitale Wissensvermittlung. Eine der zentralen Zielsetzungen ist es, grundlegendes Vertrauen in die Technologie der Zukunft aufzubauen. Mit welchen möglichen Vorbehalten in der Bevölkerung müssen Sie rechnen? Wie gelingt es Ingenieurpsychologinnen und -psychologen, Erklärungsbedürftigkeit zu verstehen?

Spezielle Vorbehalte bezüglich 5G sind über die Medien weitreichend bekannt. Wichtig ist es, die Bevölkerungsgruppe einzubeziehen, die Unsicherheit bezüglich 5G und deren Anwendungen verspürt. Oft ist es u.a. der Mangel an Informationen, der zu einem wenig akkuraten Verständnis führt. Zudem ist 5G eine sehr abstrakte Technologie, die schwer erlebbar ist, was den Aufbau von Verständnis und Vertrauen erschwert.

Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen der Ingenieurpsychologie in der Gegenwart und in der Zukunft?

Zu den wichtigsten Aufgaben gehört einerseits, in der Gestaltung von Technologie und automatisierten Systemen die menschliche Informationsverarbeitung einzubeziehen. Leider ist es trotz fortschreitender Erkenntnisse immer noch so, dass im Design von Interfaces psychologische Mechanismen noch zu wenig berücksichtigt werden.

Eine grundlegende Herausforderung, die sich der Ingenieurpsychologie leider immer noch stellt, ist allgemein die Sichtbarkeit der Notwendigkeit unserer Fachrichtung, aber auch der Einbezug der Erkenntnisse in die Entwicklung neuer Technologie und in den Iterationsprozess bestehender Technologie. Ich bin mir aber sicher, dass sich das in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird.

(Fragen: Rüdiger Labahn)

Marthe Gruner, M.Sc. (Foto: privat)