Website
Aktuelles
Donnerstag, 22.07.2021

Campus

Eine Stolperschwelle für das Erinnern

Am 23. September jährt sich die Deportation von 625 Patientinnen und Patienten der damaligen Heilanstalt Strecknitz zum 80. Mal

Mit einer Veranstaltungsreihe, einer Ausstellung und der Verlegung einer Stolperschwelle gedenkt die Universität, von den Studierenden initiiert, der erschütternden Ereignisse von 1940 und 1941 auf dem heutigen Campus. Schleswig-Holsteins Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, informierte sich bei einem Besuch der Universität am 22. Juli über die Vorbereitungen.

Am 23. September 2021 jährt sich die Deportation von 625 Patientinnen und Patienten der damaligen Heilanstalt Strecknitz zum 80. Mal. Die Einrichtung befand sich auf dem Gebiet des heutigen Lübecker Campus. Studierende der Universität haben die Initiative zum Gedenken daran angeschoben und die Verlegung einer Stolperschwelle vor dem Turmgebäude und das Aufstellen von drei Tafeln beim bereits existierenden Gedenkstein in der Nähe angeregt. Der bestehende Erinnerungsort wird so ergänzt.

Ein Aufsteller soll auf die Geschehnisse der Jahre 1940/41 aufmerksam machen, auf zwei weiteren werden die Namen der Ermordeten zu lesen sein. Die Verlegung der Stolperschwelle ist für den 6. Oktober geplant. Zudem wird es im September und Oktober eine Ausstellung zur Geschichte der Euthanasie und zur Deportation der Patientinnen und Patienten sowie eine Veranstaltungsreihe geben. Damit soll an die damaligen Ereignisse erinnert und ihre Bedeutung bis in die Gegenwart reflektiert werden.

Verantwortung für Rechtsstaat und Demokratie aktiv mittragen

„Uns Studierenden ist die Präsenz der Geschichte der Heilanstalt Strecknitz auf dem Campus ein besonderes Anliegen. Mit diesem Projekt möchten wir dazu beitragen, dass sie nicht in Vergessenheit gerät", sagte die Studentin Frederike Heiden.

Ministerin Karin Prien sagte: „Wenn wir versuchen zu verstehen, unter welchen Rahmenbedingungen die Verbrechen des Nationalsozialismus möglich waren, dann können wir auch besser erkennen, wo heute Risiken und Gefahren für unsere Demokratie lauern. Deshalb dürfen wir auch nie einen Schlussstrich ziehen.“ Es sei wichtig, dass sich jede Generation aufs Neue in Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gegenwart und ihren Bedingungen neue Formen des Erinnerns und Gedenkens erschließe. Projekte wie die Stolperschwelle seien dafür gute Bespiele. „Ich bin allen Beteiligten sehr dankbar, dass sie die Verantwortung dafür, dass unser Rechtsstaat und unsere Demokratie wehrhaft bleiben, aktiv mittragen.“

Menschen mit körperlichen, psychischen oder seelischen Problemen wurden während der Nazizeit als „lebensunwert“ angesehen und in die „Durchgangsanstalten“ Eichberg, Herborn, Scheuern und Weilmünster in Hessen gebracht, wo fast alle durch Vernachlässigung, Hunger, Krankheit oder Giftinjektionen starben. Bereits am 16. September 1940 waren 20 jüdische Patientinnen und Patienten der Heilanstalt Strecknitz und zehn jüdische Bewohnerinnen und Bewohner der Vorwerker Diakonie deportiert und in Brandenburg getötet worden. Die Deportationen im Jahr 1941 fanden innerhalb der sogenannten „Aktion Brandt“ statt. Damit verfolgte das nationalsozialistische Deutschland das Ziel, die als minderwertig angesehenen Menschen zu vernichten.

Die Stolperschwelle vermittelt historisches Bewusstsein am Ort des Geschehens

„Die Geschichte prägt unseren Campus und unsere Gemeinschaft. Deshalb freut es mich besonders, dass wir gemeinsam mit der Studierendeninitiative und dem UKSH die Finanzierung der Stolperschwelle realisieren konnten“, sagte Prof. Gabriele Gillessen-Kaesbach, die Präsidentin der Universität zu Lübeck. „Leid und Unrecht, schon gar nicht der Tod, können ungeschehen gemacht werden. Mit der Stolperschwelle rücken über 600 Menschen in den Mittelpunkt unseres Erinnerns. Ihre Schicksale sind Geschichten einer gesellschaftlichen Ausgrenzung“, sagt Prof. Gillessen-Kaesbach. „Die Stolperschwelle vermittelt historisches Bewusstsein am Ort des Geschehens. Durch sie werden individuelle und kollektive Handlungsspielräume hinterfragt. Sie wird auf dem Campus als Mahnung und Verpflichtung stehen.“

Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, sagte: „Unsere Verantwortung vergeht nicht. Sie prüft uns. Und die Antwort dieser Prüfung ist: Wir sagen ,nein‘ zum Menschenhass. Wir gedenken der lebenden und verstorbenen Opfer sowie ihrer Nachkommen.“

Für das Projekt haben die Fundraising-Abteilungen der Universität und des Universitätsklinikums zusammengearbeitet. Der Freunde- und Förderverein der UKSH und die Stiftungsuniversität unterstützen die studentische Initiative seit Start des Projektes bei der Spendenakquise und Abwicklung. Durch Spenden ist eine Summe von über 10.000 Euro erzielt worden. Das Engagement der Rose Stiftung und der von Keller Stiftung tragen im besonderen Maße zur Finanzierung der Stolperschelle und der Informationstafeln bei.

Die Stolperschwelle wird am 6. Oktober in den Boden gelassen (Fotos: Lutz Roeßler / Universität zu Lübeck)

Ministerin Karin Prien, Studentin Frederike Heiden, Vorstandsvorsitzender Prof. Jens Scholz und Präsidentin Prof. Gabriele Gillessen-Kaesbach (v.r.n.l.)