Website
Lehrkonzepte Medizin

Blockpraktikum Rechtsmedizin

Lehrende: PD Dr. med. habil. Johanna Preuß-Wössner (kommissarische Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin), Prof. Dr. med. Christoph Meißner (stellvertretender Direktor des Institutes für Rechtsmedizin), Dr. Ivana Gerling (Oberärztin), Nadin Zimak (Assistenzärztin), Jan Rohwer (Chemieingenieur und Leiter des Alkohollabors)

Didaktik

Bei dem Blockpraktikum Rechtsmedizin handelt es sich um ein gemischtes Lehrformat.

Das Blockpraktikum Rechtsmedizin findet in studentischen Kleingruppen von 7-12 Personen statt. Im Leichenschaukurs erfolgen praktische Übungen an der Leiche mit Durchführung einer vollständigen Leichenschau und Erhebung aller Befunde. Zunächst werden die Studenten unter Aufsicht angeleitet, eine Leichenschau durchzuführen. In den Folgeterminen wird dann von den Studenten eigenständig eine Leichenschau durchgeführt, deren Befunde dann mit den verantwortlichen Dozenten erörtert und gegebenenfalls korrigiert und ergänzt werden. In dem Seminar Wundmorphologie werden interaktiv mit den Studenten Probleme an konkreten Fallbeispielen der forensischen Routine angesprochen und durch die Studenten mit Unterstützung der Lehrenden Lösungen erarbeitet. In den beiden POL-Seminaren, deren Fallzahl auf Anregung der Studenten verdoppelt wurde, erfolgt die eigenständige Ausarbeitung von Problemen und Lösungsmöglichkeiten an insgesamt zwölf verschiedenen Fällen unter den Aspekten z. B. Selbst/Fremdbeibringung, Leichenschau, Sterbehilfe oder ärztlicher Behandlungsfehler.

Das Blockpraktikum umfasst als innovatives Lehrformat einen POL-Teil, der die diesem Lehrformat eigene typische Vorgehensweise beinhaltet und eine schrittweise Erarbeitung von Problemen und deren Lösungen vorsieht. Bedingt durch die Art der Fälle ergeben sich durch die studentischen Vorschläge von Mal zu Mal durchaus sehr unterschiedliche Lösungsansätze, die ausgearbeitet werden.

Im Leichenschaukurs werden die erforderliche Handgriffe zunächst vorgemacht, von den Studenten erlernt und schließlich eigenständig angewendet. Ferner werden an verschiedenen Leichen Befunde erhoben und die entsprechenden juristischen Konsequenzen erarbeitet.

Im Seminar Wundmorphologie erlernen die Studenten eigenständig an Power-Point Folien die Beschreibung von Befunden, das Stellen der richtigen Diagnosen und die Ableitung der sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Im Rahmen des Blockpraktikums werden aktuelle Gerichtsverhandlungen am Amts-/Landgericht Lübeck besucht und die Studenten mit den formalen Abläufen bei Gericht, besonders im Hinblick auf ihre spätere ärztliche Tätigkeit vertraut gemacht.

Die Veranstaltung ist interdisziplinär ausgerichtet, da die Fragestellungen in der Rechtsmedizin immer auch andere Fachgebiete berühren. Gerade bei Leichen, die mit dem Verdacht eines ärztlichen Behandlungsfehlers untersucht werden, werden die juristischen Konsequenzen des jeweiligen ärztlichen Handelns der verschiedenen Fachdisziplinen ausgearbeitet. Betroffen sind überwiegend operative Fächer, in Einzelfällen auch nicht operative Fächer. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass momentan  bildgebende Verfahren noch nicht in der Lage sind, Befunde immer richtig bzw. mit der forensisch erforderlichen ausreichenden Genauigkeit zu erheben.

Im Seminar DNA-Untersuchungen wird immer auf aktuelle Entwicklungen der Forschung wie z. B. die Epigenetik oder genomweite Assoziationsstudien und auf die Berührungspunkte mit anderen Fachdisziplinen (z. B. Humangenetik, hausärztliche Tätigkeit, genetische Beratung, Gendiagnostikgesetz) eingegangen.

Kollegiale Beratung

Vor Beginn eines jeweiligen Semesters tauschen sich alle Kollegen aus und beraten, wie der Lehrstoff noch verbessert werden kann. In dem POL-Seminar werden z.B. Fälle auf Wunsch der Studierenden durch andere ersetzt. Basierend auf den Erfahrungen des Einzelnen werden Empfehlungen für die gesamte Gruppe der Lehrenden ausgesprochen.

Als Rechtsmediziner steht man in einem ständigen Austausch mit den Fachkollegen anderer Disziplinen, da das Wissen über das aktuelle medizinische Vorgehen nach ärztlichem Standard nicht vollständig vorliegen kann. Aus in den Akten sich ergebenden Problemen im Hinblick auf z.B. Aufklärung oder Diagnostik und Therapie wird dann der Unterricht entsprechend angepasst, um das zukünftige Auftreten dieser Probleme zu vermeiden (Fehleranalyse und Qualitätssicherung). Dadurch entwickelt sich die Lehre zunehmend pragmatischer mit klaren Handlungsempfehlungen für Studenten/Ärzte einer bestimmten Fachdisziplin bei medizinisch-juristischen Fragestellungen. Je intensiver dieser Austausch stattfindet, umso besser und praxisnäher entwickelt sich die Lehre.

Methodik

Bei den Seminaren findet eine Erarbeitung von Inhalten durch wechselseitige Interaktion statt. Durch eigene Reflexion verfestigen sich die Lehrinhalte stärker als durch eine reine Präsentation des Stoffes wie es teilweise bei Vorlesungen gehandhabt wird. Bei der Leichenschau müssen die Studenten nach der Anlernphase eigenständig eine Leichenschau durchführen, deren Ergebnis dann dargestellt wird und Verbesserungen und Probleme angesprochen werden. Im POL-Teil des Blockpraktikums erarbeiten die Studenten die Inhalte der vorgegebenen Fälle eigenständig und geben damit auch eine Richtung vor, welche Schwerpunkte von der Gruppe vertieft werden sollen. Ferner wird durch die studentische Schwerpunktsetzung und die Herangehensweise verdeutlicht, welche Schwerpunkte in der eigenen Lehre zukünftig gesetzt werden sollen (z. B. häusliche Gewalt) und an welchen Stellen die Lehre optimiert werden muss, da Zusammenhänge noch nicht vollumfänglich durchschaut werden und Herangehensweisen noch nicht ausreichend verinnerlicht sind. Durch die Falldarstellung sind die Studenten gefordert, sich eigenständig und selbstverantwortlich in Heimarbeit unter Zuhilfenahme der relevanten Literatur mit forensischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Diese Vorgehensweise führt zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Inhalten des Faches.

Bei Gerichtsverhandlungen sind die Studenten Zuhörer, nachdem die Verhandlungsinhalte zuvor besprochen wurden. Eine Nachbereitung erfolgt in den Gerichtspausen oder am Folgetag im Institut für Rechtsmedizin.

Medien

Als wesentliche Medien werden in den Seminaren Power-Point-Folien auf einem Laptop eingesetzt, die per Beamer an die Wand geworfen werden und damit allen Studenten eine differenzierte Betrachtung der Befunde ermöglichen. Die POL-Fälle werden auf laminierten DIN-A4-Bögen ausgehändigt, deren Text durch einige fotografische Abbildungen oder umschriebene Befunde noch ergänzt wird und per Beamer an die Wand geworfen. Im chemisch-toxikologischen Kurs werden GC-Säulen und HPLC-Säulen, eine Toxilab-Kammer sowie spezielle Monovetten und Kanülen für die Alkoholabnahme demonstriert und das praktische Vorgehen erläutert. Im DNA-Kurs wird ein Spurenträger gezeigt und ein Nachweis von menschlichem Blut praktisch durch Studenten durchgeführt.

Inhalte

Wesentliche Inhalte des Blockpraktikums sind das Erlernen des korrekten Durchführens einer Leichenschau mit anschließendem Ausstellen der Todesbescheinigung. In den Wundmorphologie-Seminaren werden konkrete Befunde an Power-Point-Folien beschrieben, Diagnosen gestellt und die sich daraus ergebenden forensischen Konsequenzen abgeleitet. Alle wesentlichen Formen von Gewalteinwirkungen auf den menschlichen Körper werden gezeigt und die speziellen Kriterien zur Diagnose der einzelnen Gewalteinwirkung herausgearbeitet und differentialdiagnostisch von anderen Gewalteinwirkungen abgegrenzt.  Ferner werden die Studenten auf ethische und persönlichkeitsrechtliche Probleme von DNA-Untersuchungen hingewiesen.  Im POL-Seminar werden konkrete Fälle aus der forensischen täglichen Tätigkeit besprochen und deren Praxisrelevanz für den klinischen Alltag und bei der hausärztlichen Tätigkeit vermittelt.

Interkulturalität, Vielfaltsaspekte der Studierenden

Vorerfahrungen einzelner Studenten werden von den Dozenten insofern aufgenommen, als dass Umfang und Inhalte des jeweiligen Lehrstoffes an die Antworten der Studierenden angepasst werden, d.h. bei großem Interesse der Gruppe an DNA-Untersuchungen oder toxikologischen Fragestellungen wird der Unterricht in diesen Unterrichtseinheiten differenzierter und komplexer gestaltet. Bei Studenten in der Gruppe mit Sprachproblemen wird bei einzelnen Fragen dem beobachteten sprachlichen Kenntnisstand des Studenten/Studentin entsprechend formuliert. Studenten mit einen anderen kulturellen Hintergrund werden gegebenenfalls auf Besonderheiten oder Unterschiede der forensischen Fragestellungen im Ihrem Heimatland angesprochen und angeregt die Unterschiede oder Besonderheiten der Gruppe mitzuteilen. Sind in der Gruppe mehrere Studenten, die bestimmte Berufsausbildungen haben bzw. diese angedeutet haben (z.B. Rettungssanitäter, Krankenschwester) fließen auch spezielle Probleme dieser Berufsgruppen in den Unterricht ein.

Mit welchen Inhalten und/oder Methoden wurden die Kompetenzen der Studierenden gefördert?

Handlungskompetenzen wurden durch dreimalige Durchführung einer Leichenschau gefördert. Handlungskompetenz im klinischen Alltag wurde durch die Darlegung von konkreten Fallbeispielen mit Handlungsempfehlungen für den klinischen Alltag bei forensisch relevanten Problemen gefördert.
Es wird die fachgerechte Asservierung von spurenrelevantem und toxikologischem Material (z.B. bei Verdacht auf GHB) und dessen fachgerechte Lagerung vermittelt. Die Studenten führen einen einfachen praktischen Nachweis von menschlichem Blut durch.

Die soziale und kommunikative Kompetenz der Studenten wird durch den intensiven Austausch im Rahmen des Kleingruppenunterrichtes gefördert. Richtiger sprachlicher Umgang mit Sterbenden und problematischen Patienten (Opfern) wird im Rahmen der POL-Seminare angesprochen. Aufklärungspflicht und Kommunikation in der Arzt-Patient-Beziehung werden regelmäßig in den POL-Seminaren thematisiert. Wichtig ist in den Seminaren auch die Studenten zu kritischen und selbstreflektierenden Persönlichkeiten auszubilden, da eigene Kritikfähigkeit für jede Form des ärztlichen Handeln wichtig ist und zu einer Verbesserung der späteren ärztlichen Tätigkeit beiträgt.

Rolle als Lehrende(r)

Alle Lehrenden fungieren im Wesentlichen als Wissensvermittler. Die Studierenden werden durch konkrete Anregungen beim Lernen unterstützt und Fragen zu Lerninhalten werden immer beantwortet. Themen aktueller Forschung werden angesprochen und Empfehlungen zu Doktorarbeiten ausgesprochen. Ferner sind die Lehrenden bestrebt durch das Aufzeigen von Problemen bei forensischen Fragestellungen (z. B. Sterbehilfe oder Datenspeicherung) die Studenten für diese Problematiken zu sensibilisieren und damit auch zur Persönlichkeitsbildung der Studenten beizutragen.