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Aktuelles zur Forschung

Stützzellen im Gehirn steuern Schilddrüsenfunktion

Donnerstag, 07.09.2017

Tanyzyten (rot) in der Wand der dritten Hirnkammer ziehen mit langen Fortsätzen in benachbarte Hirnzentren. Blau: Zellkern. Grün: fenestrierte Blutgefäße.

Neue Untersuchung aus dem DFG-Sonderforschungsbereich „Essverhalten: Homöostase und Belohnungssysteme“ der Universitäten Lübeck und Köln

Regulation von Körpergewicht und Geschlechtshormonen

Die aktuelle Untersuchung einer Lübecker Wissenschaftlergruppe bringt Licht in die bislang weitgehend unbekannten Funktionen der Tanyzyten. Diese Stützzellen im Gehirn können mit Hilfe neuer Techniken, die im Rahmen der Arbeit ebenfalls entwickelt wurden, künftig zielgenau weiter erforscht werden. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Das Gehirn weist eine bemerkenswerte Vielfalt an Zelltypen auf. Erst in den 1950er Jahren wurden Stützzellen des Gehirn (Glia) entdeckt, die sich durch eine auffällig lang gezogene Zellform auszeichnen und deshalb nach dem griechischen Wort für lang gezogen („tanus“) als Tanyzyten benannt werden. Tanyzyten finden sich in der Wand der inneren Hirnkammern und senden ihre Fortsätze in benachbarte Hirnzentren, die vitale Funktionen des Körpers wie den Blutdruck, die Körpertemperatur oder das Hormonsystem steuern.

Außer ihrer Lage und der auffälligen Zellstruktur war zunächst wenig über diese Zellen bekannt. In den letzten Jahren ergaben sich erste Hinweise, dass Tanyzyten wichtig sind für die Regulation des Körpergewichts und der Geschlechtshormone. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Helge Müller-Fielitz und Prof. Markus Schwaninger (Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie) an der Universität zu Lübeck berichtet jetzt, dass Tanyzyten eine zentrale Rolle in der Regulation der Schilddrüsenfunktion spielen.

Das Gehirn steuert die Schilddrüse, indem es Thyreoliberin (Thyrotropin Releasing Hormone, TRH), ein kleines Hormon, absondert. TRH wirkt aber nach den Befunden von Müller-Fielitz, Schwaninger und Kollegen nicht nur auf die Schilddrüsenachse, sondern aktiviert zunächst auch die benachbarten Tanyzyten. Sie hemmen dann die weitere Freisetzung von TRH aus dem Gehirn.

Interessant ist die Art und Weise, wie Tanyzyten die Hormonfreisetzung modulieren. Nach den Befunden der Arbeitsgruppe scheinen sie einerseits den Übertritt von TRH in die Blutgefäße zur blockieren und andererseits TRH abzubauen. Unter dem Strich bremsen Tanyzyten die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen. Im Moment ist noch unklar, ob dieser Mechanismus auch teilweise für klinische Funktionsstörungen der Schilddrüse verantwortlich sein könnte.

Die Bedeutung der Studie geht aber über das bessere Verständnis der Schilddrüsenfunktion hinaus. Die Arbeitsgruppe hat eine Reihe neuer Techniken entwickelt, die es erlauben, ausschließlich Tanyzyten zu untersuchen und so Licht in weitere Aufgaben dieser rätselhaften Zellen bringen werden.

Die Arbeit wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Essverhalten: Homöostase und Belohnungssysteme“ (Transregio 134) gefördert. Sprecher des seit 2014 bestehenden Forschungsbereichs der Universitäten Lübeck und Köln ist Prof. Dr. Hendrik Lehnert, Universität zu Lübeck.

Veröffentlichung:
Tanycytes control the hormonal output of the hypothalamic-pituitary-thyroid axis. Nature Communications. Online 7. September 2017, 11:00 Uhr MESZ.
DOI: 10.1038/s41467-017-00604-6