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Montag, 01.10.2018

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Thema "Pflege"

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Am 1. November geht es im Studium generale um Care-Extraktivismus und Sorgekämpfe

Rekonfiguration von sozialer Reproduktion, Care-Extraktivismus und Sorgekämpfe. Eine zeit- und raumdiagnostische intersektionale Perspektive - Vortrag von Dr. Christa Wichterich im Rahmen des Studium generale am 1. November (19:15 Uhr, Audimax)

Der Pflegenotstand, die Streiks an Krankenhäusern und der Mangel an KiTas sind Symptome einer umfassenden Krise sozialer Reproduktion. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO warnt sogar vor einer globalen Krise von Care. Das macht eine Neuordnung von Daseinsvorsorge, von sozialer Sicherheit und von Sorgearbeit notwendig.

Christa Wichterich schlägt in ihrem Vortrag ein Konzept vor, das sie „Care-Extraktivismus“ nennt. Es ist ein raum- und zeitdiagnostisches Instrument für eine internationale politische Ökonomie sozialer Reproduktion. Care-Extraktivismus beinhaltet eine Kommodifizierung von Sorgearbeit. Wie sich auf nationaler wie auch auf transnationaler Ebene beobachten lässt, werden entlang der sozialen Hierarchien von Gender, Klasse, Hautfarbe, Herkunft und Nord-Süd preiswerte reproduktive Arbeitskräfte konstruiert. Beispiele sind die Modularisierung der Pflege in der Alten- und Krankenbetreuung, migrantische AltenpflegerInnen und die Leihmutterschaft in Indien oder der Ukraine.

Zur Person: Dr. Christa Wichterich ist Soziologin, derzeit freiberufliche Publizistin und feministische Wissenschaftlerin. Im WS 2018/19 ist sie Senior Fellow des ICAS:MP in New Delhi, Indien. Sie war Gastprofessorin für Geschlechterpolitik an der Universität Kassel und der Universität Basel. Ihre thematischen Arbeitsschwerpunkte sind Globalisierung und Gender, Frauenarbeit, internationale Frauenpolitik, Frauenbewegungen, Ökologie. Geographische Arbeitsschwerpunkte: Süd- und Südostasien, Ost- und Südafrika.

Das Studium generale der Universität zu Lübeck im Wintersemestere 2018/19

Der „Pflegenotstand“ ist eine der großen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Die Politik reagiert mit Modellen zur Aufwertung der Pflege- und Fürsorgearbeit. An den Unis werden Pflegewissenschaften aufgebaut und in Schleswig-Holstein wurde als eines der ersten Bundesländer 2018 eine Pflegeberufekammer eingerichtet. Doch die Zustände verschärfen sich: Schlecht bezahlte Arbeit, Überforderung und fehlende Anerkennung beschreiben ein Problem, das weder politisch noch gesellschaftlich gelöst zu sein scheint. Dabei ist die Sorge- und Fürsorgearbeit mehr als die Sorge um den Mitmenschen.

Pflege ist eine gesellschaftlich hochrelevante Tätigkeit, die, auch wenn sie im Privaten stattfindet, im öffentlichen Raum diskutiert werden muss. Zudem lässt die verschärfte Rationalisierung des Arbeitsmarktes soziale Tätigkeiten und besonders die Fürsorge im Generationenvertrag immer mehr zum Problem werden. Produktionsarbeit als Motor der Wirtschaft scheint die soziale Welt zu strangulieren, denn Fürsorge kostet nicht einfach mehr Zeit, sondern sie lebt gewissermaßen von Zeitverschwendung. Es reicht deshalb nicht aus, nur neue sozialpolitische Maßnahmen zu diskutieren. Mit der mangelnden Marktfähigkeit von Fürsorge steht vielmehr die Grundordnung unserer Gesellschaft auf dem Spiel.

Brennende Fragen liegen auf der Hand: Brauchen wir eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Systemänderung, um die Sorge für unsere Mitmenschen – seien sie groß oder klein, alt oder jung – angemessen zu leisten? Liegt im Konzept der Sorgearbeit – „care“ – gar eine politische Sprengkraft, weil es unvereinbar ist mit der gegenwärtigen Dominanz eines ökonomischen Denkens im Sozialsystem?

Konzept und Organisation: Prof. Cornelius Borck, Prof. Christina Schües, Dr. Birgit Stammberger, Prof. Christoph Rehmann-Sutter

Die weiteren Termine:

15. November 2018 (Audimax AM4)
Prof. Dr. Frans Vosmann (Utrecht): Care als politische Grundkategorie. Eine care-ethische Sicht auf die Möglichkeit, zusammen zu leben

31. Januar 2019 (Audimax AM1)
Prof. Dr. Cornelia Klinger (Tübingen): Lebenslang und immer im Kreis. Das andere Zeitregime des Sorgens und Pflegens

Vorträge jeweils donnerstags um 19.15 Uhr im Audimax auf dem Campus der Universität zu Lübeck.

Dr. Christa Wichterich