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Dienstag, 02.03.2021

Forschung

Umgebungsanalyse erweitert Corona-Apps

Neues Forschungsprojekt PRIVEE für die datenschutzgerechte Situationsanalyse in der Kontaktverfolgung - Unterstützung durch die Volkswagenstiftung

Corona-Apps helfen dabei, Infektionsketten nachzuvollziehen und damit die Anzahl an weiteren Infektionen einzudämmen. Bisher stellen diese Apps in Echtzeit engere Kontakte fest, die gewarnt werden können, wenn eine Erkrankung mit Covid-19 festgestellt und dieses in der App hinterlegt wird. Die Kontaktverfolgung basiert aktuell ausschließlich auf der Bluetooth-Technologie mittels derer versucht wird, den Abstand zwischen Smartphones zu ermitteln.

Forscherinnen und Forscher der Universität zu Lübeck konnten diesen Mechanismus nun um einen weiteren Indikator erweitern, der nicht nur auf der Distanz beruht, sondern versucht, die unmittelbare Umgebung miteinzubeziehen. Diese Erweiterung soll die dafür erhobenen Daten auf eine besonders sichere Weise schützen, indem die Informationen das eigene Endgerät gar nicht erst verlassen. 

Mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz wird eine Schnittstelle in die Corona-Warn-App eingearbeitet, die die Umgebung während eines Kontakts durch Audioaufnahmen klassifizieren kann und einfache Aussagen wie "Waldspaziergang" oder "volles Zugabteil" trifft. Diese Aufnahmen werden nach der Klassifikation direkt und automatisiert gelöscht. Die erfolgten Klassifikationen können bei der Entscheidung, ob ein Kontakt als kritisch einzuordnen ist, unterstützend hinzugezogen werden und zugleich die Rekapitulation vergangener Aufenthalte für die spezifische Nutzung erleichtern.

Jegliche personenbezogenen Daten werden ausschließlich lokal auf dem jeweiligen Smartphone der Nutzerin oder des Nutzers gespeichert. Es erfolgt keinerlei Kommunikation mit anderen Parteien und die Daten werden nur so lange gespeichert wie nötig, was bedeutet, dass nach Ablauf der vierzehntägigen Frist der Corona-Apps eine sichere Löschung der Daten erfolgt.

IT-Sicherheit und Informatik im regelmäßigen Austausch mit der Infektiologie

Eine Situationsanalyse kann wertvolle Informationen für die infektiologische Einordnung eines Kontakts liefern, da je nach Umgebung die Ansteckungsgefahr variiert. Die Lübecker Forscherinnen und Forscher setzen genau hier an und wollen die Kontaktverfolgung unter Einbeziehung reichhaltiger Sensordaten des Smartphones mit einer KI-basierten Situationsanalyse verfeinern, ohne dass diese sensiblen Sensordaten die jeweiligen Endgeräte verlassen. Auf Basis von Nutzerrückmeldungen soll die KI-basierte Situationsanalyse kontinuierlich verbessert werden.

Diese lokalen Verbesserungen können auf sichere Weise deutschlandweit zusammengeführt werden (mittels Privacy-Preserving Federated Learning), um beliebte Verbesserungen unter allen Nutzerinnen und Nutzern zu teilen. Statistiken über Situationsanalysen sollen in einem zweiten Schritt deutschlandweit sicher zusammengeführt und mit Störungen versehen werden. Auf diese Weise soll garantiert werden, dass die Privatsphäre geschützt bleibt und keine Information über einzelne Endnutzer oder –nutzerinnen extrahierbar ist.

Das Forschungsprojekt PRIVEE (PRIVacy-preserving Extensions of Epidemiological apps) der Universität zu Lübeck wird mit 119.000 Euro von der Volkswagenstiftung unterstützt. Involviert sind die Arbeitsgruppe Security & Privacy am Institut für IT-Sicherheit (Prof. Dr. Esfandiar Mohammadi), um sicherzustellen, dass nur privatsphäreerhaltende Maßnahmen umgesetzt werden, das Institut für Telematik (Prof. Dr. Stefan Fischer) mit der Expertise im Entwurf von Protokollen zum Austausch zwischen Smartphones und mit zentralen Stellen und das Institut für Neuro- und Bioinformatik (Prof. Dr. Thomas Martinetz) mit der Expertise, maschinell gelernte Modelle zur Situationsanalyse effektiv einzusetzen.

Die Forschenden sind in einem regelmäßigen Austausch mit der Klinik für Infektiologie am Universitätsklinikum in Lübeck (Prof. Dr. Jan Rupp), um sicherzustellen, wie die entwickelten Methoden eine medizinisch sinnvolle Erweiterung von Corona-Apps darstellen können.

Prof. Dr. Esfandiar Mohammadi

Prof. Dr. Stefan Fischer

Prof. Dr. Thomas Martinetz

Klassifizierung von Umgebungssituationen für die Corona-App (Grafik: Alexandra Klenke-Struve / Universität zu Lübeck)